Kleider machen Leute

Vortragsreihe Offenes Fenster vom 06.09.2017
Referent Pfr. Robert Naefgen, Tamins

“Kleider machen Leute” sagte Quintillian (ca. 30-95)
Erzieher des Kaisers Domitian.

Eine kurze Reise durch die Kulturgeschichte der Kleidung und deren Wirkung

Der Mensch ist mehr als nur seine Kleidung – einen Menschen nur auf einen Aspekt seines Seins zu reduzieren, tut ihm Unrecht. Das äussere Erscheinungsbild, ein Teil der menschlichen Existenz ist es wert, darauf zu achten.

Das Benehmen eines Menschen, sollte wie seine Kleidung sein, nicht steif und akkurat,  sondern frei genug um sich zu bewegen und zu bestätigen”
Francis Bacon

In den 70er Jahren wurde, gemäss einer Studie an der University of California,  eine Schätzung veröffentlicht, dass

55 % der Wirkung geht auf das äussere Erscheinungsbild zurück
38% der Wirkung geht auf die Stimme zurück, d.h. Lautstärke, Klang,                         Betonungen und Sprachtempo.
7%   der Wirkung geht auf das tatsächlich Gesagte zurück.

Die Wahrnehmung des Äusseren hat seither an Bedeutung zugenommen. Einerseits durch die Medien sowie die Werbung.
Kleidung gehört neben Nahrung  und einem Dach über dem Kopf zu den Grundbedürfnissen eines Menschen.
Kleidung bietet Schutz gegen Umwelteinflüsse  wie Kälte, Hitze, Nässe, Sonne, Wind. Hinzu kommt die psychische Komponente, sogenannte Glücksbringer wie z.B. der Glück bringende Fussballschuh oder Golfschläger usw. Auch den Kleidungs-Accessoires wird Wert zugemessen.


Kleidung als Ausdruck von Zugehörigkeit
.
z.B. Trachten verschiedener Regionen, Uniformen, Fanbekleidung, religiöse Bekleidung, wie Talare, Alben, Habits der Nonnen, Mönchsbekleidung, Burka, Kopftuch, Berufsbekleidung,  für die Jugendlichen und jung geblieben Fitnessbekleidung etc.
Die Möglichkeiten, das äussere Erscheinungsbild selber zu gestalten, haben in den  letzten Jahren stark zugenommen. Es ist nicht mehr nur die Frisur sondern  Anti-aging Massnahmen wie Botox und die plastische Chirurgie die, die äussere Erscheinung mitbestimmen, je nach Bedarf und finanziellen Mitteln.

Unser Erscheinungsbild ist eine Selbstaussage
:

wie ich mich selbst sehe und damit mein inneres Selbstbild nach aussen trage,
wie ich am liebsten von Anderen gesehen sein will

 

 

Am Anfang der biblischen Menschheitsgeschichte werden die ersten Menschen nackt in die Welt gesetzt. Nachdem sie die Frucht vom Baum versuchten, erkennen Adam und Eva, dass sie nackt sind. Die Erkenntnis der eigenen Blösse ist der Auftakt zu einem Kapitel in der Menschheitsgeschichte, „Was ziehe ich an?“ Die Motivation zu dieser Kleiderordnung war Scham.
Oder um es mit den Worten Shakespears zu sagen: Die Seele dieses Menschen sitzt in seinen Kleidern. (Ende gut, alles gut, 2. Akt, 5. Szene, Vasall Lafeu)

Kleidung – kulturhistorsich
Im Mittelalter signalisierte die Kleidung auf welcher Ebene der Ständeordnung sich der Mensch befand. Anders als heute waren robuste Stoffe denen vorbehalten, die auch körperlich arbeiten mussten. Die feineren und teureren Stoffe denen, die nach den Arbeitenden schauten. Leinen, Flachs und Wolle fanden sich am Leib derer, die das Eigen derer waren, die Seide und veredelte Tuche trugen. Zu der Stoffart kam die farbliche Gestaltung der Kleidung. Am einfachsten war die Farbgewinnung aus pflanzlichen Stoffen. Echte Färberröte diente der Gewinnung von Rot, das Gilbkraut von Gelb und Indigo wurde seit der Antike aus Ägypten zur Gewinnung von Blau-Tönen genutzt. Wesentlich aufwendiger war die Färbung intensiver Rottöne z.B. der Talar des Kardinals. Dazu wurde lange aus den getrockneten Weibchen der Schildlaus (Kermeslaus) der Farbstoff Karmin gewonnen. Eine mühselige und dadurch auch teure Verfahrenstechnik. Den intensivsten Rotton gewann man durch die lebend gefangenen PurpurSchnecken. Man geht davon aus, dass etwa 10 000 dieser Tiere benötigt wurden, um 1 kg Wolle einzufärben. Dementsprechend war in Stoffqualität und deren Einfärbung deutlich, wer auf welcher Hierarchieebene zu Hause war.
In der Neuzeit hielten sich die standesspezifischen Kleidungstypen mehr oder weniger bis in die Zeit des frühen 20. Jahrhunderts. Die, die in der Gesellschaft höher standen kleideten sich anders als die, die die Last der Gesellschaft zu tragen hatten. Mit dem Auflösen der alten Herrschaftssysteme und einem Aufkommen höchster wirtschaftlicher Blüte fand ein Bruch statt. Spätestens mit dem Hippies, bzw. der 68er-Bewegung verschwammen die alten Grenzen und Studierende propagierten: Unter den Talaren – der Muff von 1000 Jahren. Farben, Muster, Zuschnitte. Scheinbar kannte nichts mehr eine Grenze.

Wie wir wahrgenommen werden, wird heute zwischen 70-80 Prozent durch unser Äusseres bestimmt.
Meine alte schlesische Geschichtslehrerin, so Herr Naefgen, zitierte dies folgendermassen: 
„Achtet bei den Menschen auf die Haare, die Hände und die Schuhe – daran erkennt ihr ihren Charakter”

Um das menschliche Streben nach Überschätzung gleich hier und jetzt mit
Negationen zu bedienen konterte R. Naefgen: es geht nicht um den 14tägigen Coiffeur-Besuch; es geht nicht um die manikürten Fingernägel und es geht nicht um die rahmengenähten Budapester Schnürschuhe. Zugleich geht es -hoffentlich- nicht um die Fettfrisur, die fetzigen Fingernägel und die ausgetretenen offenen Sandalen.

Vielmehr ist die Antwort in den Worten Blaise Pascals zu finden: Der Mensch ist eine Mitte zwischen Nichts und dem All, ein Nichts vor dem Unendlichen im All gegenüber. Oder um es griffiger mit den Worten Peter Bukowskis zu sagen: Zwischen Alles und Nicht ist Etwas.