Psychiatrie in Graubünden Gestern und Heute

Vortragsreihe  Offenes Fenster vom  07. Februar 2018

Referent: Dr. Christian Koch, Chefarzt Gerontopsychiatrie

Vieles hat sich in den letzten 70 Jahren innerhalb und ausserhalb der Psychiatrie geändert. Kaum zu glauben, was einst mit den „Irren“ gemacht wurde. Man zog ihnen Zwangsjacken an und legte sie in Ketten wie Schwerverbrecher. Kein Wunder stand in Cazis die „Irrenanstalt“ gleich neben dem Gefängnis Realta und stand viele Jahre unter ein und derselben Direktion !

Eine Zeitreise –  Geschichte 19.Jahrhundert
1825 Ein Gutachten spricht von 16 Irren in Graubünden
1840 Eröffnung Zwangsarbeiterhaus in Fürstenau
1874 In Graubünden werden 200 Geisteskranke gezählt
1877 Gründung Bündnerischer Hilfsverein
1892 Eröffnung Klinik Waldhaus

 

Ende 19. / Anfang 20. Jahrhundert
Behandlungsmethoden und Freizeit
Arbeitstherapie
Heil- und Beruhigungsmittel gegen gedrückte oder reizbare Stimmung und Langeweile
Bäder allgemein / Deckelbad; warmes Bad zur Beruhigung von Erregungszuständen und Schlafförderung
Freizeitgestaltung (Theater, Gesang, Christbaumfeier)

Anfang bis Mitte 20. Jahrhundert
Gruppentherapie
Schlaftherapie
Insulinkur (Sakel,1935)
Modernisierung der Beschäftigungstherapie
Verbesserung der Zusammenarbeit mit Behörden und Spezialärzten
Öffentlichkeitsarbeit
Cardiazol- Krampf-Therapie (Meduna,1937)
Der Ungar Ladislaus von Meduna (1896-1964) führte die Cardiazol-Krampf-Therapie ein, bei der durch die Injektion von Cardiazol ein künstlicher epileptischer Anfall ausgelöst wurde.
Elektrokrampfbehandlungen (Cerletti und Bini,1938),
Einführung GR 1943
Leukotomien (1946/1948 in Kooperation mit den Spitälern Thusis und Chur)
Sie wurde ursprünglich zur Schmerzausschaltung und bei extrem schweren Fällen psychischer Erkrankungen angewendet, etwa bei Psychosen und Depressionen mit starker Unruhe.

Mitte bis Ende 20. Jahrhundert
Elektroschockbehandlung unter Narkose und mit Curare
ab 1952 Apomorphin- und Antabus-Kur zur Alkoholentwöhnung
Vermehrter Einsatz von Psychotherapie
ab 1956 Einsatz von Turnstunden und Heilgymnastik
ab 1960 Entdeckung weiterer Neuroleptika
Leponex (Clozapin) 1976
Keine neurologischen Nebenwirkungen, aber toxische Wirkung auf weisse Blutzellen.
ab 1960:
Abriss von Mauern und Zäunen
Abteilungen werden offen geführt
Sicherheitsglas ersetzt Fenstergitter

Erneuerung sanitärer Einrichtungen (Lavabos mit warmem und kaltem Wasser)
Umwandlung von Schlafsälen in Dreier und Viererzimmer
Erste Drogenpatienten (Haschisch und LSD) ab 1969
Ambulante Weiterbetreuung nach Klinikaustritt
Antabus-Sprechstunde (2-jährige Nachbehandlung)
Weiterentwicklung der Sozialpsychiatrie ab Mitte der 70er Jahre – Aufhebung der Geschlechtertrennung
Gemeindenahe ambulante psychiatrische Behandlung
Eröffnung von Wohngruppen für psychisch Behinderte
Aufbau ambulanter Dienste Ende 70iger/ Anfang 80iger
Neue Medikamente erweitern das Behandlungsspektrum

Wohnheime werden gegründet
1989 Gründung VASK Graubünden
Ambulant vor stationär
Konsiliar- und Liaisondienst
1972 Einführung der Kunsttherapie
1974 Einführung der Ergotherapie
1975 Einführung der Bewegungstherapie
In Kombination mit Medikamenten: Reduktion von EKT und Insulinkuren (nur noch bei Einzelfällen)
(Die Elektrokrampftherapie richtet sich an Menschen mit schweren depressiven Störungen) und Insulinkuren (nur noch bei Einzelfällen)

21 Jahrhundert
Tageskliniken werden eröffnet
Entstigmatisierung
Spezialisierungen
Angehörigenarbeit
Psychoedukationsgruppen
Öffnung der Psychiatrie
Recovery
Psychoedukationsgruppen
Ausbau Konsiliar- und Liasiondienst
Therapeutische Angebote
Ergotherapie
Psychotherapien
Beschäftigungstherapien
Kunst-, Musik-, Sport-, Bewegungs- und Aktivierungstherapien
Integrierte psychiatrische Behandlung
Phytotherapie- und Komplementärmedizin

Entwicklung Personal- und Patientenzahlen
1892  22 Wärter und Wärterinnen / 14 Personen Dienst und Ökonomiepersonal
113 Geisteskranke und 8 Körperkranke
1896  Aufstockung auf 15 Wärter und 14 Wärterinnen
222 Kranke
1901 19 Wärter und 22 Wärterinnen
250 Kranke
1913  über 300 Kranke

Anfang bis Mitte 20. Jahrhundert
Entwicklung Personal- und Patientenzahlen
1939 Verbesserung der Anstellungsbedingungen
1943 3. AA-Stelle für Heil- und Pflegeanstalt Realta
1948 10 Stunden Tag auch für Pflegerinnen
1958 JB Waldhaus / 01.01. 388 Patienten / 31.12.: 395 Patienten, Personal 141 (91 Pflege, 50 übriges Personal)
1960 Einführung der 52 Stunden-Woche für dipl. Pflege – 2. Ober Arzt -Stelle für die Anstalt Waldhaus – 2. Ober Arzt-Stelle für die Anstalt Beverin
Schwerpunkte der beiden Kliniken
Klinik Waldhaus 107 Patienten
Akut- und Rehabilitationspsychiatrie
Psychotherapie mit Tinnitusklinik
Gerontopsychiatrie mit Memory-Klinik
Klinik Beverin 125 Patienten
Sucht – Forensik
Mutter-Kind-Station und Schmerz – Gerontopsychiatrie mit Demenz und Psychotherapie
Privatklinik Mentalva
1964 Psychiatrische Fürsorgerin an beiden Anstalten
1968 Erhöhung der Arztstellen von 5 auf 7 pro Klinik
1972 2. Sozialdienststelle in der Klinik Beverin
1976 186 Angestellte im Waldhaus 358-369 Patienten, 170 Angestellte in Beverin 328 Betten
1977-1984 Stellenbeschaffung für je 1 Psychologen und je 1 ambulanten Ober Arzt in beiden Kliniken
1988 Einführung der 42 Stunden-Woche
1992 Arztstellen pro Klinik 9 bzw. 10
2000 Betten Klinik Waldhaus 145, Klinik Beverin 117 Betten
2016 Mitarbeitende: 1020  davon 594 in Kliniken, 134 in Heimzentren,
204 in ARBES 
Als geschützte Werkstätte der Psychiatrischen Dienste Graubünden (PDGR), bietet erwachsenen Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung einen Arbeitsplatz. Ihr Ziel ist eine bestmögliche, individuelle und ressourcenorientierte berufliche Eingliederung ihrer Klienten in den Arbeitsprozess.
232 Klinikbetten
99 Tagesklinikplätze
32 Betreuungsplätze opioidgestützte Behandlung
(Opioide sind natürliche, aus dem Opium gewonnene oder (halb)synthetisch herstellte Arzneimittel mit schmerzlindernden, dämpfenden, beruhigenden und psychotropen Eigenschaften.
134 Wohnplätze Heimzentren
120 geschützte Arbeitsplätze

Dr. Koch hofft, dass mit all den positiven Veränderungen der letzten Jahre, die Barriere zwischen den psychiatrischen Kliniken und der Öffentlichkeit geöffnet wird.
Das hoffen wir alle auch, denn es ist genauso unmenschlich die psychisch kranken Leute zum Teil auch heute noch zu „ verachten“, wenn sie sich nicht unser Gesellschaftsordnung angepasst verhalten und dass auch ihre Angehörigen darüber reden dürfen /können.

 

Wie sage ich es meinem Arzt

Vortragsreihe Offenes Fenster vom 04.10.2017

Referent: Hansruedi Stahel, Kommunikationstrainer, Turbental

Kommunikation unter speziellen Umständen

Das Gespräch zwischen Arzt und Patient ist das Fundament einer guten Behandlung.

Die Empathie – der Schlüssel zum gegenseitigen Verstehen.
Empathie steht bei der Kommunikation immer im Mittelpunkt. Durch Empathie wird die Würde als Mensch gewahrt. Es kommt zu einer Kommunikation des gegenseitigen Respektes. Gewünscht wird ein einfühlsamer Dialog welcher hilft, mit der Situation umzugehen. Durch den Dialog ist es möglich, einen Beitrag zur Therapie einzubringen.

Dass die ungenügende Kommunikation problematisch sein kann, ist in der wissenschaftlichen Literatur mittlerweile recht gut belegt. Dazu gehören zum Beispiel eine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Fehldiagnose und ein gestörtes Vertrauensverhältnis. ( Quelle: Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften)

Herr Stahel empfiehlt, schon ein paar Tage vor dem Arztbesuch, sich folgendes aufzuschreiben:

    • Meine Krankengeschichte:
    • Wurde ich schon einmal operiert? Wann und wo?
    • Welche Krankheiten habe ich durchgemacht? Wann?
    • Bin ich auf irgendetwas allergisch?
    • Gibt es Familienkrankheiten!
    • Wo liegen meine jetzigen Beschwerden?

Schreiben Sie diese auf, damit vergessen  Sie etwas Wichtiges nicht.
Wenn Sie vor dem Arzt oder der Ärztin sitzen, fassen Sie sich kurz, aber gehen Sie ihre Liste Punkt für Punkt durch.
Sprechen Sie nicht nur über ihre Schmerzen, sondern auch über Angst und Unsicherheit. Auch  allfällige Potenzstörungen müssen angesprochen werden.
Nach der  Untersuchung stellen Sie Fragen, z.B. zur Therapie, zu den Medikamenten und deren Nebenwirkungen. Informieren Sie sich, wie Sie ganz persönlich die Therapie unterstützen können, z.B. Ernährungsumstellung, Spazieren, viel frische Luft etc.
Wenn Ihnen etwas fremd vorkommt, fragen Sie nach und schreiben Sie es auf.
Am Schluss des Gespräches, fassen Sie kurz zusammen, was Sie gehört und wie Sie es verstanden haben.
Wenn Ihre Aufnahmefähigkeit nicht mehr so wie früher war, nehmen Sie eine Begleitperson mit.
Holen Sie sich eine Zweitmeinung in Begleitung einer Vertrauensperson.
Nach dem ersten Arztbesuch, setzen Sie sich in einem ruhigen Moment hin und denken Sie darüber nach.
Suchen Sie, wenn möglich im Internet für andere Lösungen nach.
Hören Sie nicht auf Freunde und Freundinnen, welche es besser wissen, irgendwo jemanden kennen und durch eine weitere Person davon gehört haben, dass …
Experimentieren Sie nicht mit anderen Medikamenten, denn auch pflanzliche Medikamente haben Nebenwirkungen. Vor allem  fragen Sie den  Arzt, bevor Sie homöopathische Produkte und zugleich schulmedizinische Medikamente einnehmen.
Auch ein Arzt ist nur ein Mensch.
Wenn H.R. Stahel einen Arzt begleitet, stellt er ihm meistens ganz am Anfang des Gespräches die Frage: Wieviele Menschen sagen Ihnen so danke, dass Sie sich nach fünf Tagen noch an dessen Name erinnern? Es gibt Ärzte die sich an keinen einzigen Namen erinnern können.
Der Beruf des Arztes ist ein Helferberuf. Wenn nichts zurückkommt, entwickelt sich eine gefährliche Demotivation, welche sich, gepaart mit weiteren kritischen Punkten, gern zu einem Burnout  entwickelt. Darum sagen Sie Danke. Zeigen Sie dem Team wie dankbar Sie sind. Sie werden feststellen etwas kommt zurück. „Danke Sager“ stehen nicht daneben, nein sie gehören dazu.

Zudem wird alle paar Minuten ein Arzt mit anderen Krankheiten konfrontiert. Da kommt z.B. ein Bauer, der den Fuss verstaucht hat, dessen grosse Sorgen für ihn, wie der Betrieb weiter geht sind und er wünscht sich ein Wundermittel für den verstauchten Fuss. Anschliessend kommt eine junge Mutter die Brustkrebs hat. Ihre grosse Sorge ist, wie funktioniert die Familie weiter etc. und was steht ihr bevor.
Ein Arzt muss sich innert  kurzer Zeit auf einen anderen Mensch, dessen Krankheit und Sorgen einstellen und das tagtäglich.

 

Zum Schluss ein kommunikatives Gespräch: 

Arzt: “Sie leiden an postbrachialer Erweiterung des Oberbauches.”
Der Patient ist schockiert und fragt entsetzt: “Oh mein Gott, Herr Doktor, was bedeutet das?”
Arzt: “Sie haben Blähungen!”

 

Kleider machen Leute

Vortragsreihe Offenes Fenster vom 06.09.2017
Referent Pfr. Robert Naefgen, Tamins

“Kleider machen Leute” sagte Quintillian (ca. 30-95)
Erzieher des Kaisers Domitian.

Eine kurze Reise durch die Kulturgeschichte der Kleidung und deren Wirkung

Der Mensch ist mehr als nur seine Kleidung – einen Menschen nur auf einen Aspekt seines Seins zu reduzieren, tut ihm Unrecht. Das äussere Erscheinungsbild, ein Teil der menschlichen Existenz ist es wert, darauf zu achten.

Das Benehmen eines Menschen, sollte wie seine Kleidung sein, nicht steif und akkurat,  sondern frei genug um sich zu bewegen und zu bestätigen”
Francis Bacon

In den 70er Jahren wurde, gemäss einer Studie an der University of California,  eine Schätzung veröffentlicht, dass

55 % der Wirkung geht auf das äussere Erscheinungsbild zurück
38% der Wirkung geht auf die Stimme zurück, d.h. Lautstärke, Klang,                         Betonungen und Sprachtempo.
7%   der Wirkung geht auf das tatsächlich Gesagte zurück.

Die Wahrnehmung des Äusseren hat seither an Bedeutung zugenommen. Einerseits durch die Medien sowie die Werbung.
Kleidung gehört neben Nahrung  und einem Dach über dem Kopf zu den Grundbedürfnissen eines Menschen.
Kleidung bietet Schutz gegen Umwelteinflüsse  wie Kälte, Hitze, Nässe, Sonne, Wind. Hinzu kommt die psychische Komponente, sogenannte Glücksbringer wie z.B. der Glück bringende Fussballschuh oder Golfschläger usw. Auch den Kleidungs-Accessoires wird Wert zugemessen.


Kleidung als Ausdruck von Zugehörigkeit
.
z.B. Trachten verschiedener Regionen, Uniformen, Fanbekleidung, religiöse Bekleidung, wie Talare, Alben, Habits der Nonnen, Mönchsbekleidung, Burka, Kopftuch, Berufsbekleidung,  für die Jugendlichen und jung geblieben Fitnessbekleidung etc.
Die Möglichkeiten, das äussere Erscheinungsbild selber zu gestalten, haben in den  letzten Jahren stark zugenommen. Es ist nicht mehr nur die Frisur sondern  Anti-aging Massnahmen wie Botox und die plastische Chirurgie die, die äussere Erscheinung mitbestimmen, je nach Bedarf und finanziellen Mitteln.

Unser Erscheinungsbild ist eine Selbstaussage
:

wie ich mich selbst sehe und damit mein inneres Selbstbild nach aussen trage,
wie ich am liebsten von Anderen gesehen sein will

 

 

Am Anfang der biblischen Menschheitsgeschichte werden die ersten Menschen nackt in die Welt gesetzt. Nachdem sie die Frucht vom Baum versuchten, erkennen Adam und Eva, dass sie nackt sind. Die Erkenntnis der eigenen Blösse ist der Auftakt zu einem Kapitel in der Menschheitsgeschichte, „Was ziehe ich an?“ Die Motivation zu dieser Kleiderordnung war Scham.
Oder um es mit den Worten Shakespears zu sagen: Die Seele dieses Menschen sitzt in seinen Kleidern. (Ende gut, alles gut, 2. Akt, 5. Szene, Vasall Lafeu)

Kleidung – kulturhistorsich
Im Mittelalter signalisierte die Kleidung auf welcher Ebene der Ständeordnung sich der Mensch befand. Anders als heute waren robuste Stoffe denen vorbehalten, die auch körperlich arbeiten mussten. Die feineren und teureren Stoffe denen, die nach den Arbeitenden schauten. Leinen, Flachs und Wolle fanden sich am Leib derer, die das Eigen derer waren, die Seide und veredelte Tuche trugen. Zu der Stoffart kam die farbliche Gestaltung der Kleidung. Am einfachsten war die Farbgewinnung aus pflanzlichen Stoffen. Echte Färberröte diente der Gewinnung von Rot, das Gilbkraut von Gelb und Indigo wurde seit der Antike aus Ägypten zur Gewinnung von Blau-Tönen genutzt. Wesentlich aufwendiger war die Färbung intensiver Rottöne z.B. der Talar des Kardinals. Dazu wurde lange aus den getrockneten Weibchen der Schildlaus (Kermeslaus) der Farbstoff Karmin gewonnen. Eine mühselige und dadurch auch teure Verfahrenstechnik. Den intensivsten Rotton gewann man durch die lebend gefangenen PurpurSchnecken. Man geht davon aus, dass etwa 10 000 dieser Tiere benötigt wurden, um 1 kg Wolle einzufärben. Dementsprechend war in Stoffqualität und deren Einfärbung deutlich, wer auf welcher Hierarchieebene zu Hause war.
In der Neuzeit hielten sich die standesspezifischen Kleidungstypen mehr oder weniger bis in die Zeit des frühen 20. Jahrhunderts. Die, die in der Gesellschaft höher standen kleideten sich anders als die, die die Last der Gesellschaft zu tragen hatten. Mit dem Auflösen der alten Herrschaftssysteme und einem Aufkommen höchster wirtschaftlicher Blüte fand ein Bruch statt. Spätestens mit dem Hippies, bzw. der 68er-Bewegung verschwammen die alten Grenzen und Studierende propagierten: Unter den Talaren – der Muff von 1000 Jahren. Farben, Muster, Zuschnitte. Scheinbar kannte nichts mehr eine Grenze.

Wie wir wahrgenommen werden, wird heute zwischen 70-80 Prozent durch unser Äusseres bestimmt.
Meine alte schlesische Geschichtslehrerin, so Herr Naefgen, zitierte dies folgendermassen: 
„Achtet bei den Menschen auf die Haare, die Hände und die Schuhe – daran erkennt ihr ihren Charakter”

Um das menschliche Streben nach Überschätzung gleich hier und jetzt mit
Negationen zu bedienen konterte R. Naefgen: es geht nicht um den 14tägigen Coiffeur-Besuch; es geht nicht um die manikürten Fingernägel und es geht nicht um die rahmengenähten Budapester Schnürschuhe. Zugleich geht es -hoffentlich- nicht um die Fettfrisur, die fetzigen Fingernägel und die ausgetretenen offenen Sandalen.

Vielmehr ist die Antwort in den Worten Blaise Pascals zu finden: Der Mensch ist eine Mitte zwischen Nichts und dem All, ein Nichts vor dem Unendlichen im All gegenüber. Oder um es griffiger mit den Worten Peter Bukowskis zu sagen: Zwischen Alles und Nicht ist Etwas.

 

Care Team Graubünden

Vortragsreihe Offenes Fenster vom 05.04.2017

Referent : Jürg Mayer admin. Leiter Care Team / Einsatzleiter

 

 

 

Konzept: Care Team

“Betreuungsteam für die Unterstützung einer psychisch belasteten Person nach einem Schadenereignis.”
Ein Care Team hat das Ziel, für die Wiederherstellung von Sicherheit durch Strukturen und für Informationen und Schutz zu sorgen. Damit soll die Selbstfürsorge gestärkt werden.
Wo nötig, wird auf die Ressourcen des Gesundheitswesens hingewiesen und eine längerfristige Behandlung oder Begleitung empfohlen. Die Arbeit des Care Teams dient der Vorbeugung möglicher posttraumatischer Belastungsstörungen
Sicherstellung einer abgestuften psychologischen ersten Unterstützung oder Hilfeleistung bei normaler, besonderer und ausserordentlicher Lage von schwer traumatisierten Betroffenen. Dies ist der Auftrag an das Team.
Organisation
Das Care Team Grischun steht seit Januar 2005 für Einsätze bereit. Fachpersonen der Berufsgruppen Psychologie, Psychiatrie, soziale Arbeit, Seelsorge beider Landeskirchen bilden das eigentliche Care Team Grischun. Insgesamt stehen rund 60 Mitglieder zur Verfügung,
Das Care Team Grischun ist organisatorisch dem Amt für Militär und Zivilschutz im Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit unterstellt.
Einsatzleiter von Einsatzkräften (Polizei, Feuerwehr, Sanitätsdienst) die einen Bedarf erkennen, können das Care Team Grischun bei der Sanitätsnotrufzentrale SNZ 144 anfordern.

Ereignisse:

  • Naturkatastrophen                      ausserordentliche Lage
  • Grossbrand                                    Opfer mit materiellem Verlu
  • Unfälle                                            Arbeit, Freizeit, Strasse, Bahn
  • Todesfall                                         Person verstorben
  • Suizid                                              Suizid, Suizidversuch
  • Gewaltverbrechen                        Tötungsdelikt / Bedrohung
  • Unterstützung Polizei                 Begleitung

Die SNZ 144 bietet die Care Giver auf.  
Ein Einsatz darf vom Care Giver abgelehnt werden (ohne Begründung).
Anforderung nach 2. oder mehreren Care Giver darf / soll immer gestellt werden.
Die Care Giver melden der SNZ 144, wenn der Einsatz beendet ist.
Einsatzdauer 1 bis 3 Tage
Die Dienstleistung steht Opfern, Zeugen, Angehörigen sowie Einsatzkräften zur Verfügung.

Die Ausbildung der Care Giver dauert 5 Tage. Jeder Care Giver ist beim Zivilschutz gemäss Art. 15 vom Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetz (BZG) eingeteilt.

Information                           Rekrutierung                          Ausbildung

Chur                                       Mels                                          Schwarzenburg
2 – 3 Stunden                       1 Tag                                          5 Tage

 

Care Giver haben keinen Pikettdienst und Care ist keine Blaulichtorganisation. Regionale Care Giver brauchen Zeit.

 

 

Der Trommler ein Märchen

Bildergebnis für kleiner trommlerjunge

Vortragsreihe Offenes Fenster vom 04.01.2017

Erzählerin Anna Nold, Tamins

Frau Nold erzählte dieses Märchen in einer sehr gefühlsvoll ausgeschmückter und beeindruckender Weise.

Ein junger Trommler findet an einem See drei Stückchen feines Leinen, wovon er eins mitnimmt, ohne weiter daran zu denken. Beim Einschlafen erscheint ihm eine Königstochter, die von einer Hexe auf den Glasberg gebannt wurde. Ohne ihr Hemdchen kann sie nicht wie ihre zwei Schwestern vom See fortfliegen, in dem sie badeten. Er gibt es ihr und verspricht ihr zu helfen. Sie kann nur sagen, dass der Glasberg hinter dem Wald der Menschenfresser liegt. Er geht in den Wald und weckt mit seiner Trommel einen Riesen, dem er erzählt, das sei ein Signal an viele andere, die kämen, um ihn zu töten. Sie sprängen weg, wenn er sie fassen wolle, aber wenn er schlafe, kletterten sie an ihm hoch und schlügen ihm mit Eisenhämmern den Schädel ein. Der Riese verspricht, sie künftig in Ruhe zu lassen, und trägt ihn mit zwei anderen zum Glasberg, aber nicht bis ganz oben.
Zwei Männer streiten um einen Zaubersattel, mit dem man sich überallhin wünschen kann. Den nimmt der Trommler ihnen durch List ab und wünscht sich auf den Glasberg. Er bittet bei einer Alten mit braunem Gesicht, langer Nase und roten, scharfen Augen um Unterkunft. Dafür muss er am nächsten Tag mit einem Fingerhut den Fischteich vor dem Haus ausschöpfen und am übernächsten mit Werkzeug aus Blei und Blech, das nicht hält, den Wald dahinter abholzen. Beide Male kommt ihm mittags ein Mädchen zur Hilfe. Er legt seinen Kopf in ihren Schoß, und als er aufwacht, sind alle Fische gefangen und alles Holz geordnet. Nur ein Fisch und ein Ast liegen allein. Damit schlägt er die Alte, als sie danach fragt. Am dritten Tag soll er alles Holz auf einem Haufen verbrennen. Er steigt auch furchtlos in die Flammen, als sie ihn einen Holzklotz holen lässt, der nicht brennt. Da verwandelt dieser sich in die Königstochter. Er wirft die Alte ins Feuer, als sie sie packen will.
Die Königstochter reicht ihm ihre Hand und wünscht sie beide mit einem Wunschring vor das Stadttor. Als er seine Eltern besucht und sie trotz Warnung seiner Braut auf die rechte Wange küsst, vergisst er sie. Sie bauen von den Edelsteinen aus dem Hexenhaus einen fürstlichen Palast und arrangieren eine Heirat. Die traurige Königstochter, die inzwischen einsam in einem Waldhäuschen gelebt hat, wünscht sich ein Kleid wie die Sonne, dann wie der Mond, dann wie die Sterne. Damit erkauft sie sich von der Braut dreimal, vor der Kammer des Bräutigams schlafen zu dürfen. Aber nur die Leute im Haus hören ihr Rufen, weil die Braut einen Schlaftrunk in seinen Wein schütten lässt, und erzählen es ihm. Das dritte Mal schüttet er den Schlaftrunk hinters Bett. Als er ihre Stimme hört, erinnert er sich, bereut und führt sie sofort zu seinen Eltern, dass sie heiraten. Die andere Braut ist mit den Kleidern zufrieden.
Quellnachweis wikipedia 

Anschliessend wurde zur Frage: was sagen  Märchen überhaupt aus, diskutiert. Sind sie wegweisend für das Leben oder nur Fantasien ?

Meistens müssen die Märchenfiguren zuerst einen weiten und mühsamen Weg zurücklegen. Furchtlos gehen sie durch dunkle Wälder um ihr Ziel zu finden. Unterwegs begegnen sie allerhand merkwürdigen Gestalten oder Tieren, die ihnen jedoch hilfreich den Weg zeigen und Ratschläge erteilen. Sind sie am Ziel, gibt es weitere Prüfungen die sie bestehen und/ oder  Arbeiten erledigen müssen, wobei auch hier, oft gute Helfer auftauchen. Kurz vor dem Erreichen ihres Ziels, treten weitere z.T. unmögliche Hürden auf, bis sie selber oder die gesuchte Märchenfigur, erlöst werden kann.
Märchen enden immer im Guten.

Das Leben, im Vergleich geht oft den selben Weg. Manchmal ist es ein langer  und mühsamer Weg zum gesetzten Ziel und unterwegs müssen genauso Hindernisse und Hürden überwunden werden. Gute und hilfreiche Mitmenschen, auf die man zählen kann, trifft man auch im Leben immer wieder an.

Ein Hinweis zu den Gebrüdern Grimm sowie zum Märchen:
In die Zeit eines sparsamen und zurückgezogenen Lebens nach dem Studienabschluss 1806 datiert der Beginn der Sammlung von Märchen und Sagen, die uns heute als eines der Hauptwerke der Brüder Grimm bekannt sind. Die von Jacob und Wilhelm Grimm auf Veranlassung von Achim von Arnim und Clemens Brentano gesammelten Märchen entstanden nicht aus ihrer eigenen Phantasie, sondern wurden nach alten, vorwiegend mündlich überlieferten Geschichten von ihnen gesammelt und zusammengetragen und mehr oder minder stark überarbeitet, in Ausdruck und Aussage geglättet und geformt. Eine ihrer wichtigsten Quellen waren die Märchen, die die aus hugenottischer Familie stammende Dorothea Viehmann den Brüdern erzählte. An den Sammlungen waren z. B. auch die Brüder Werner von Haxthausen, August von Haxthausen sowie die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff und ihre Schwester Jenny von Laßberg beteiligt. Es ist das bleibende Verdienst von Wilhelm Grimm, der mit der Bearbeitung die weitere Verbreitung gesichert und mit der kritischen Untersuchung zu Quellen und Entwicklung der Volksmärchen die Märchenkunde als Wissenschaft begründet hat.

Jacob Grimm erhielt das Märchen der Trommler 1838 brieflich von Karl Goedeke, der dazu vermerkte, es von seiner Tante, „einer schlichten Bürgersfrau“, gehört zu haben, die es wiederum von einem Eichsfelder Lumpensammler habe. Diese Handschrift ist ausnahmsweise erhalten und wurde von Wilhelm Grimm für den Druck hauptsächlich stilistisch überarbeitet.
Quellnachweis wikipedia

Adventsfeier 07.12.2016

Ähnliches Foto

 

Advent (lateinisch adventus „Ankunft“), eigentlich Adventus Domini (lat. für Ankunft des Herrn), bezeichnet die Jahreszeit, in der die Christenheit sich auf das Fest der Geburt Jesu Christi, Weihnachten, vorbereitet. Die Christen gedenken der Geburt Jesu und feiern sie als Menschwerdung Gottes. Zugleich erinnert der Advent daran, dass Christen das zweite Kommen Jesu Christi erwarten sollen. Mit dem ersten Adventssonntag beginnt für die römisch-katholische Kirche und die evangelische Kirche auch das neue Kirchenjahr.

Geschichte
Ursprünglich entsprach der Begriff Advent dem griechischen Begriff „Erscheinung“, und bedeutete im Römischen Reich Ankunft, Anwesenheit, Besuch eines Amtsträgers, insbesondere die Ankunft von Königen oder Kaisern (adventus Divi „Ankunft des göttlichen Herrschers“). Es konnte aber auch die Ankunft der Gottheit im Tempel ausdrücken. Dieses Wort übernahmen die Christen, um ihre Beziehung zu Jesus Christus zum Ausdruck zu bringen.
Die Adventszeit war ursprünglich eine Fastenzeit, die die Alte Kirche auf die Tage zwischen dem 11. November und dem ursprünglichen Weihnachtstermin, dem Fest der Erscheinung des Herrn am 6. Januar, festlegte. Außerdem galten die Fastenzeit sowie die Adventszeit als „geschlossene Zeiten“, In diesen geschlossenen Zeiten durfte nicht getanzt und aufwendig gefeiert werden, Auch feierliche Trauungen durften in geschlossenen Zeiten nicht stattfinden, stille Trauungen dagegen schon. Seit 1917 wird das Adventsfasten vom katholischen Kirchenrecht nicht mehr verlangt.
Die Adventszeit in der heutigen Form geht zurück auf das 7. Jahrhundert. Sie wurde tempus ante natale Domini („Zeit vor der Geburt des Herrn“) oder tempus adventūs Domini („Zeit der Ankunft des Herrn“) genannt. In der römischen Kirche des Westens gab es zunächst zwischen vier und sechs Sonntage im Advent, bis Papst Gregor der Große ihre Zahl erstmals auf vier festlegte. Die vier Sonntage standen symbolisch für die viertausend Jahre, welche die Menschen gemäß kirchlicher Geschichtsschreibung nach dem Sündenfall im Paradies auf den Erlöser warten mussten. Nach dem sogenannten „Straßburger Adventsstreit“ wurde auf Betreiben Kaiser Konrads II. auf einer Synode im Jahre 1038 die Frage entschieden, ob sich die Adventszeit über vier volle Wochen erstrecken müsse. Diese Regelung wurde von dem Konzil von Trient bestätigt, nachdem sich abweichende regionale Traditionen etabliert hatten. Die rechtsverbindliche Regelung erfolgte 1570 durch Papst Pius V. In einigen Diözesen, die im Ambrosianischen Ritus verblieben sind, z. B. im Erzbistum Mailand, hat sich die sechswöchige Adventszeit bis heute gehalten.
Man betonte im gallischen Bereich das endzeitliche Motiv der Wiederkunft Christi, das zur Ausgestaltung des Advents als Zeit einer ernsthaften Buße führte, wohingegen im römischen Einflussbereich das weihnachtlich-freudige Ankunftsmotiv der Menschwerdung Gottes Einfluss gewann.
Die Adventszeit beginnt mit der ersten Vesper des ersten Adventssonntags und endet am Heiligen Abend mit der ersten Vesper von Weihnachten. Die westliche christliche Adventszeit dauert 22 bis 28 Tage und hat immer vier Sonntage, mit Ausnahme der Bistümer, die am Ambrosianischen Ritus festhalten.
Der Grund für die unterschiedliche Länge der Adventszeit, im Gegensatz zur Fastenzeit, die eine feste Länge hat, liegt in der Tatsache, dass der Beginn an einen Sonntag gebunden ist und der letzte Adventssonntag dabei der Sonntag vor dem 25. Dezember ist.
Der dritte Adventssonntag, im römisch-katholischen, altkatholischen, anglikanischen und lutherischen Kirchenjahr Gaudete, trägt seinen Namen nach dem lateinischen Anfangswort des Introitus „Gaudete in Domino semper“, „Freut Euch im Herrn allezeit!“
Im Mittelpunkt der biblischen Verkündigung in der Liturgie der einzelnen Adventssonntage steht – bei den verschiedenen Konfessionen in unterschiedlicher Reihenfolge – die erhoffte Wiederkunft des Herrn, der Einzug Jesu in Jerusalem, Johannes der Täufer als „Vorläufer Jesu“ und Maria, die Mutter Jesu.
Die orthodoxen Kirchen begehen den Advent bis heute sechswöchig als Fastenzeit, und zwar ab dem 15. November bis zum 24. Dezember. Der Begriff „Advent“ ist dort nicht so verbreitet und wird erst in jüngerer Zeit verwendet. Man spricht eher vom Philippus-Fasten oder Weihnachtsfasten. Das Kirchenjahr beginnt in der orthodoxen Kirche nicht am ersten Advent, sondern am 1. September.
In den Advent fallen einige Feste und Gedenktage, die vom Festgedanken her nicht mit dem Advent in Beziehung stehen, z. B. das Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria am 8. Dezember, der Barbaratag am 4. Dezember und der Nikolaustag am 6. Dezember. Das Marienfest steht in enger Beziehung zum Fest Mariä Geburt am 8. September, neun Monate später. Die beiden Heiligengedenktage sind jedoch mit vorweihnachtlichem Brauchtum verbunden: Am Fest der heiligen Barbara werden Barbarazweige geschnitten, die dann zu Weihnachten blühen sollen, und der Gaben bringende Bischof Nikolaus von Myra ist seit der Reformation in die Nähe zu Christkind und Weihnachtsmann gerückt.

Schicksalsschläge – was hilft, wenn nichts mehr hilft

Vortragsreihe Offenes Fenster vom 02. November 2016

20160924_130902

Referent: Peter Schulthess, Notfallseelsorger und Pfarrer in Pfäffikon ZH

Schicksalsschläge wirken oft wie ein K.o. Schlag, auf einen Menschen und z.T. auch auf ihr Umfeld.

Zum Beispiel

  • Diagnose Krebs
  • Beziehungsbruch kurz vor der Trauung
  • Verlust der Arbeitsstelle. Nach mehrjähriger Anstellung schliesst der Betrieb.
  • Tod durch Herzversagen beim Autofahren. Anstelle des Ehepartners steht die Polizei vor der Tür mit dem Bericht, Unfall auf der Strasse.
  • Einbruch durch Diebe, Schock wenn man nach Hause kommt
  • Überfall auf dem Parkplatz
  • Geburt eines behinderten Kindes
  • Das Zuschauen bei einem Suizid

Jede Hiobs Botschaft ist eine Überrumpelung, wie ein Tsunami oder ein Erdbeben man kann es nicht aufhalten, man kann davor nicht fliehen.
Betroffene Menschen fühlen sich ohnmächtig und entblösst, haben keine Kontrolle mehr über sich selber.
Hinzu kommen die Situationen in denen man immerzu denkt, hätte ich… wäre ich … wenn ich … oder sich fragt, mit was habe ich das verdient ?
Angst und Schlaflosigkeit werden zu unbeliebten Begleitern; es könnte doch wieder etwas passieren. Man meidet Orte, wo etwas passiert ist. Es braucht viel Zeit, um an diesen Orten  wieder vorbei zugehen.
Betroffene können auf gewisse Situationen nichts mehr sagen, für sie wirkt alles wie ein böser Traum.

cimg0007-medium

Das Denken wird verunmöglicht. Es kommt zu einer Art Bewusstseinsstörung – Spaltung. Alles ist unwirklich, Unreal. Eine Seite des Ich‘s funktioniert nicht mehr.
Der Verstand ist wie ausgeschaltet. Daten stehen nicht mehr zur Verfügung, Namen, Telefonnummern etc.
In dieser Situation ist es nicht von Vorteil Hilfe anzubieten, wie z.B.… ich mach das für Dich etc. so kommen sich die Trauernden noch hilfloser vor.
Eher die Frage: hast Du heute schon etwas getrunken und ein Glas Wasser hinstellen oder selber holen lassen ohne anschliessende Aufforderung, dies jetzt zu trinken. Grundsätzlich keine Arbeiten übernehmen, wie telefonieren und Meldungen weitergeben, Telefonnummern suchen etc.

Mitdenken und mitfühlen nicht aber mitleiden
Menschen brauchen Menschen

In Chaos braucht es Menschen die im hektischen Getriebe ruhig sind, ruhig bleiben und Zeit haben, wenn Funktionäre, Nachbarn, Neugierige kommen, das Telefon dauernd läutet.
Auf die Frage der Betroffenen, mit was habe ich das verdient? Wo war Gott und warum hat er das zugelassen? Die Frage nach dem Sinn? Es gibt keine Antwort, denn auch wir wissen sie nicht. Die Antworten müssen die Betroffenen selber finden.

 

15-mt-spaeter-25-10-2014Wut auf den Verstorbenen kann aufkommen. Was hast Du mir da angetan, warum lässt Du mich alleine zurück?

Wut auf den Unfallverursacher.

Wut auf Gott.

 

Gefühlsblockaden können auftreten: keine Regung, Cool, Sachlich bis zur Gefühlslosigkeit, man arbeitet wie im Trance, man spürt sich selber nicht mehr.
Auch Überaktivität und kopfloses Verhalten gehören zu den Gefühlsblockaden.
Trauer ist Arbeit, jeder muss sie selber verarbeiten, jeder nach seiner Art, jeder muss seinen eigenen Weg finden. Trauer ist wie Liebeskummer und keine Hilfe ist erwünscht – also Zurückhaltung.

Nicht warten bis der Trauernde sich meldet.

Ihm anbieten: ist es recht, wenn ich Dich in zwei CIMG0024 (Medium)Wochen wieder besuche ?
Nicht: Rufe mich an, wenn Du etwas brauchen.
Kärtchen schreiben mit persönlichen Worten.

Alles braucht seine Zeit. Zurückhaltung in den ersten Tagen ist rücksichtsvoll.
Fragen offen lassen – keine eigenen Antworten, keine eigenen Lösungen und keine eigenen Erklärungsversuche abgeben.
Eigene Probleme trösten den Trauernden nicht z.B. „Das kenne ich auch…. etc.
Auch spätere Hilfe ist oft willkommen. Allenfalls Mut machen therapeutische Hilfe zu beanspruchen.
Trauer ist keine  Krankheit – nicht überbehüten aber Da-sein.

Warum? Das istdie eine Frage.
Die andere, sie heisst: Wozu?20151206_123256
Die eine ist vielleicht geklärt,
auf schmerzlich klare Weise.
Doch: Ein Wozu, was kann das sein?
Was für ein Sinn kann in dem allen liegen?
So fragst Du.
Und so frag ich mit Dir.
Doch vielleicht muss
diese Frage offenbleiben,
vielleicht kann sie nur leiser werden,
mit der Zeit.

Christine Schlüter

12-11-2016

Gaissenpeter

Vortragsreihe Offenes Fenster vom 01.06.2016

cimg0007 (Medium)

Referent Jörg Wuttge, evang. Pfarrer in Cazis

Jörg Wuttge stellt den Ort Cazis als den Ort der Durchreise dar wo  schon früher Reisende auf dem Weg Richtung Süden, einen längeren oder kürzeren Aufenthalt einlegten, Gäste wurden, eine Weile blieben bis sie weiter zogen. Der Weg führt an der St. Nepomuk-Kapelle, Kirche St. Martin und  der St. Wendelin Kapelle vorbei, wo für eine gute Weiterreise gebetet wurde. Ebenfalls am Weg befindet sich die Psychiatrische Klinik Beverin und das Gefängnis Realte – Orte wo man ebenfalls vorübergehend bleibt.

Seit ein paar Jahren ist das Hotel Krone in Unterrealta zum Transitzentrum für Asylsuchende geworden.  80 Personen, je 4 Menschen aus verschiedenen Nationen in einem Zimmer. Dass sich auf einem so engen Raum, sehr unterschiedliche Menschen nicht immer vertragen, versteht sich. Oft musste die Polizei eingreifen. Dieser Zustand veranlasste  die Kirchgemeinde, diese Leute heraus zu holen und sie sinnvoll zu beschäftigen. Ein Kaffee-Treff, geführt von Ehrenamtlichen wurde auf den Plan gerufen. Man traf sich regelmässig mit Leuten aus der Umgebung buk und bastelte zusammen und redete über die Traditionen der verschiedenen Herkunftsländer. Parallel  entstand eine Krabbelgruppe für die Kleinen, welche von freiwilligen Kindergärtnerinnen betreut wird.
Die Arbeitsgruppe AGAPE, was Nächstenliebe bedeutet, und nicht von anderen fordert, sondern mit gutem Beispiel vorangeht, wurde  in Cazis  ins Leben gerufen.
AGAPE ist ein Netzwerk, in dem verschiedene christliche Gruppierungen und Kirchen zusammenspannen. Ihr Ziel ist es, Flüchtlinge, Asylsuchende, Ausgesteuerte und Randgruppen zu unterstützen. Ihre Projekte sollen Menschen und Kulturen verbinden, Lebenssinn geben, Not lindern und Hoffnung vermitteln. AGAPE will einen Beitrag zu Integration leisten.
In der ARBEITSGRUPPE AGAPE von Cazis sind vertreten:

  • das Dominikanerinnenkloster in Cazis
  • die Evangelisch-Reformierte Kirchgemeinde in Cazis
  • die Freie Evangelische Gemeinde (FEG) in Thusis

In der Zwischenzeit sind folgende Projekte entstanden:

Wäsche Projekt:
Es werden kleinere und grössere, regelmässige oder sporadische Waschaufträge entgegen genommen. Dazu ist die Wäscherei mit professionellen Maschinen ausgerüstet, mit denen Privat-, Berufs- und Flachwäsche gewaschen wird, sowie auch Duvets, Wolldecken, Motorradbekleidung, Feuerwehrwäsche und selbst Pferdedecken. Auf Wunsch ist ein Haus-Service möglich.
AGAPE schafft durch dieses Projekt in unserer Region Arbeitsplätze für Arbeitslose/Ausgesteuerte, die aus verschiedensten Gründen im Erstarbeitsmarkt noch nicht/oder nicht mehr mithalten können. Dabei spielt es keine Rolle, welcher Nationalität und Religion diese Personen angehören. Die Infrastruktur wird von der Schule St. Catharina in Cazis zur Verfügung gestellt.
Was sind die Ziele ?
Das Wäscheprojekt soll stufenweise auf eine Arbeitsstelle im Erstmarkt hinführen. Leistungs- und Qualitätsziele werden vereinbart und den persönlichen Umständen entsprechend festgelegt. Nach Erfüllen dieser Ziele besteht die Möglichkeit eine interne Weiterbildung zu absolvieren und das schweizerisch anerkannte Zertifikat der Hotel- und Gastroformation Weggis zu erlangen. Dieses steigert die Chancen auf eine Anstellung im Erstmarkt beträchtlich.

Apéro Projekt:
Diese Gruppe arrangiert Apéros mit Häppchen aus aller Welt: Thailändische Frühlingsrollen, tibetische Momos, eritreische Ingheras, tamilische Maalu Paan und serbisches Burek. Persönliche Wünsche nimmt die Apéro Gruppe gerne entgegen. Frauen verschiedener Nationalitäten bereiten die Spezialitäten aus ihren Ländern vor und servieren ihre Köstlichkeiten vor Ort. Auf Wunsch übernehmen sie gerne den Getränkeservice. Für Anlässe bieten sie das Catering für ein Essen aus einem Wunschland an.
Bei einem Apéro sind alle in Bewegung und es kommt Gross und Klein ins Gespräch. Es entstehen wertvolle Kontakte und Begegnungen und die entspannte Atmosphäre ermöglicht einen Austausch und das Kennenlernen der Köchinnen. So findet auf einfache Weise eine kulturelle Verständigung statt.
Was sind die Ziele?
Das Catering-Angebot will Begegnung und Wertschätzung zwischen verschiedenen Kulturen ermöglichen. Beim Apéro verdienen sich die Frauen einen kleinen finanziellen Zustupf – ansonsten soll er selbsttragend sein.

Gaissen Projekt:
Unter fachkundiger Begleitung lernen die Projektmitarbeiter den Umgang mit Geissen in der Schweiz. Asylsuchende und Flüchtlinge erlernen die Herstellung und Vermarktung von Ziegenprodukten und erhalten so die Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln und finden später im Idealfall auf einer Alp Arbeit. Ausserdem werden mit Ziegen sowohl Waldflächen und Alpgebiete entbuscht, als auch Raine und Waldrandgebiete „gemäht“.
Bei vielen Asylsuchenden und Flüchtlingen in unseren Dörfern sind Kenntnisse der Ziegenhaltung vorhanden. Mit diesem Projekt erhalten diese Menschen eine Arbeitsmöglichkeit und werden über den sekundären wieder für den primären Arbeitsmarkt fit gemacht.
Die Selbstversorgung steht im Zentrum des Projekts. Speziell bei Milchallergikern wird die Nachfrage nach Ziegenmilchprodukten im einheimischen Markt immer stärker. Ein nächster Schritt ist somit der Ausbau von Ziegenmilch und -Käseproduktion, sowie die Vermarktung dieser Produkte. Die gute Arbeitseinteilung beim Gaissenprojekt erlaubt dem Hirten den Besuch von Deutschsprachkursen.
Ziele des Projekts
Arbeitslose Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge werden in den sekundären Arbeitsmarkt eingegliedert.
Die umliegenden Waldrandgebiete sind gepflegt.
Die Techniken der Milch-, Käse- und Fleischproduktion werden vermittelt.
Nach drei Jahren ist das Projekt selbsttragend.

Um ihre Ziele zu erreichen, strebt die Arbeitsgruppe AGAPE hohe politische und finanzielle Unabhängigkeit an. Deshalb ist die Organisation als Trägerschaft auf Unterstützung angewiesen.

Spenden helfen Projekte zu lancieren, die am Puls der Zeit sind.