Schicksalsschläge – was hilft, wenn nichts mehr hilft

Vortragsreihe Offenes Fenster vom 02. November 2016

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Referent: Peter Schulthess, Notfallseelsorger und Pfarrer in Pfäffikon ZH

Schicksalsschläge wirken oft wie ein K.o. Schlag, auf einen Menschen und z.T. auch auf ihr Umfeld.

Zum Beispiel

  • Diagnose Krebs
  • Beziehungsbruch kurz vor der Trauung
  • Verlust der Arbeitsstelle. Nach mehrjähriger Anstellung schliesst der Betrieb.
  • Tod durch Herzversagen beim Autofahren. Anstelle des Ehepartners steht die Polizei vor der Tür mit dem Bericht, Unfall auf der Strasse.
  • Einbruch durch Diebe, Schock wenn man nach Hause kommt
  • Überfall auf dem Parkplatz
  • Geburt eines behinderten Kindes
  • Das Zuschauen bei einem Suizid

Jede Hiobs Botschaft ist eine Überrumpelung, wie ein Tsunami oder ein Erdbeben man kann es nicht aufhalten, man kann davor nicht fliehen.
Betroffene Menschen fühlen sich ohnmächtig und entblösst, haben keine Kontrolle mehr über sich selber.
Hinzu kommen die Situationen in denen man immerzu denkt, hätte ich… wäre ich … wenn ich … oder sich fragt, mit was habe ich das verdient ?
Angst und Schlaflosigkeit werden zu unbeliebten Begleitern; es könnte doch wieder etwas passieren. Man meidet Orte, wo etwas passiert ist. Es braucht viel Zeit, um an diesen Orten  wieder vorbei zugehen.
Betroffene können auf gewisse Situationen nichts mehr sagen, für sie wirkt alles wie ein böser Traum.

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Das Denken wird verunmöglicht. Es kommt zu einer Art Bewusstseinsstörung – Spaltung. Alles ist unwirklich, Unreal. Eine Seite des Ich‘s funktioniert nicht mehr.
Der Verstand ist wie ausgeschaltet. Daten stehen nicht mehr zur Verfügung, Namen, Telefonnummern etc.
In dieser Situation ist es nicht von Vorteil Hilfe anzubieten, wie z.B.… ich mach das für Dich etc. so kommen sich die Trauernden noch hilfloser vor.
Eher die Frage: hast Du heute schon etwas getrunken und ein Glas Wasser hinstellen oder selber holen lassen ohne anschliessende Aufforderung, dies jetzt zu trinken. Grundsätzlich keine Arbeiten übernehmen, wie telefonieren und Meldungen weitergeben, Telefonnummern suchen etc.

Mitdenken und mitfühlen nicht aber mitleiden
Menschen brauchen Menschen

In Chaos braucht es Menschen die im hektischen Getriebe ruhig sind, ruhig bleiben und Zeit haben, wenn Funktionäre, Nachbarn, Neugierige kommen, das Telefon dauernd läutet.
Auf die Frage der Betroffenen, mit was habe ich das verdient? Wo war Gott und warum hat er das zugelassen? Die Frage nach dem Sinn? Es gibt keine Antwort, denn auch wir wissen sie nicht. Die Antworten müssen die Betroffenen selber finden.

 

15-mt-spaeter-25-10-2014Wut auf den Verstorbenen kann aufkommen. Was hast Du mir da angetan, warum lässt Du mich alleine zurück?

Wut auf den Unfallverursacher.

Wut auf Gott.

 

Gefühlsblockaden können auftreten: keine Regung, Cool, Sachlich bis zur Gefühlslosigkeit, man arbeitet wie im Trance, man spürt sich selber nicht mehr.
Auch Überaktivität und kopfloses Verhalten gehören zu den Gefühlsblockaden.
Trauer ist Arbeit, jeder muss sie selber verarbeiten, jeder nach seiner Art, jeder muss seinen eigenen Weg finden. Trauer ist wie Liebeskummer und keine Hilfe ist erwünscht – also Zurückhaltung.

Nicht warten bis der Trauernde sich meldet.

Ihm anbieten: ist es recht, wenn ich Dich in zwei CIMG0024 (Medium)Wochen wieder besuche ?
Nicht: Rufe mich an, wenn Du etwas brauchen.
Kärtchen schreiben mit persönlichen Worten.

Alles braucht seine Zeit. Zurückhaltung in den ersten Tagen ist rücksichtsvoll.
Fragen offen lassen – keine eigenen Antworten, keine eigenen Lösungen und keine eigenen Erklärungsversuche abgeben.
Eigene Probleme trösten den Trauernden nicht z.B. „Das kenne ich auch…. etc.
Auch spätere Hilfe ist oft willkommen. Allenfalls Mut machen therapeutische Hilfe zu beanspruchen.
Trauer ist keine  Krankheit – nicht überbehüten aber Da-sein.

Warum? Das istdie eine Frage.
Die andere, sie heisst: Wozu?20151206_123256
Die eine ist vielleicht geklärt,
auf schmerzlich klare Weise.
Doch: Ein Wozu, was kann das sein?
Was für ein Sinn kann in dem allen liegen?
So fragst Du.
Und so frag ich mit Dir.
Doch vielleicht muss
diese Frage offenbleiben,
vielleicht kann sie nur leiser werden,
mit der Zeit.

Christine Schlüter

12-11-2016