Persönlichkeitsentwicklung

Vortragsreihe Offenes Fenster vom 06.04.2016

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Referat: Dr. med. Jutta Reiter, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie

 

Aus welchem Holz bin ich geschnitzt?
Was steckt in mir?
Entwicklungsaufgaben im Alter

Die Weltwoche vom 30.9.2014 beinhaltet einen Artikel mit der Überschrift: “Ab dem 70. Lebensjahr wird bei vielen alles anders”.
Dieser Artikel widerlegt die Aussage: “Opa ist eben so, der ändert sich nicht mehr”. Die Persönlichkeit eines Menschen kann sich im Laufe des Lebens noch einmal grundlegend ändern – besonders im Alter. Jeder vierte Mensch nimmt im Alter um die 70 nochmals eine ganz andere Persönlichkeit an.

Früher als noch auf dem Holzofen gekocht wurde, brauchte man zuerst ein Fichtenscheit. Nach dem Anheizen brauchte es Buchenscheite, denn diese geben eine beständige lange Hitze ab.
Jetzt die Frage an Sie: Sind Sie eher Fichte oder Buche? Sind Sie schnell begeistert und dann klingt es wieder ab oder brauchen Sie lange bis Sie sich auf etwas einlassen, aber wenn, dann bleiben Sie dabei? Welche Art ist jetzt wichtiger oder besser?
Das Ofenbild zeigt, dass weder Buche noch Fichte die richtige Version ist, sondern beide sind richtig und wichtig. Oder sind sie ein fein gemasertes Holz, sprich eher sensibel oder haben sie viele Äste und ärgern sich womöglich über diese harten Stellen in Ihnen? Gehören Sie eher zur Art der langen dürren oder der kurzen dicken Bäume, der aufstrebenden Pappeln oder zur Haselnussstaude? Sind Sie vielleicht ein Exot wie das Teakholz oder einfach banal wie die Fichte oder Buche, wo es in unseren Breiten unzählige gibt? Welcher Art Holz entsprechen sie?
Laut unseren Untertiteln (geschnitzt) geht es aber um die Bearbeitung dieses Holzes, an das jemand Hand angelegt hat und aus diesem Stück Holz etwas gemacht hat.
In welcher Umgebung ist dieser/unser Baum. Er brauchte einen Boden, wo er seine Wurzeln ausstrecken konnte, Asphalt wäre für ihn nicht der richtige Boden gewesen und wahrscheinlich auch nicht der Sand in den Dünen, sondern gute Walderde, jener Boden für den er gedacht ist.
Die Umgebung, die Nahrung und seine eigene Anlage ist nötig, damit aus ihm das werden konnte, was er jetzt ist, nämlich genau dieses Holz und nicht ein Stein. So ist es auch mit uns Menschen. Der Mensch der Sie sind, hat mit Ihren Genen, Ihrer Umwelt (Prägung) und mit Ihrer Eigenverantwortung zu tun.
Wodurch wir Persönlichkeit werden, hat die Gelehrten über viele Jahrhunderte schon beschäftigt und es gab im Laufe der Geschichte dazu die unterschiedlichsten Richtungen und Meinungen:

Ist der Mensch ein Produkt seiner Erbfaktoren oder seiner Umwelt?
Die unterschiedlichen Auffassungen dazu lassen sich in 2 Gegenpolen aufzeigen:
Der Mensch ist von Anfang an ein fertiges Wesen (gut oder böse)
Über Jahrhunderte hielt sich die Meinung, dass der Mensch schon als fertiges Wesen auf die Welt kommt und sich diese Anlage dann klar ausformen. So lässt sich auch erklären, warum viele Menschen sich in ihr Schicksal ergeben haben und nicht dagegen ankämpften, da ja Veränderung unter diesen Umständen nicht möglich ist.
Unbestritten ist, dass wir eine genetische Anlage haben und diese sich in unserer Entwicklung auswirken wird. Aber sie ist nicht einzig bestimmend für unsere Persönlichkeit.
Das zeigt sich z. B. im häufig gravierenden Unterschied des 1. und 2. Kindes einer Familie und zwar schon bei Neugeborenen. Oder man sieht es daran, dass einige Kinder mehr introvertiert und andere extrovertiert sind, manche mehr kreativ und andere mehr mathematisch, die einen spontan und die anderen strukturiert sind. In welche Richtung meine Fähigkeiten gehen, sagen meine Gene, aber wie stark sie ausgeprägt werden, liegt an mir bzw. an dem, wie meine Umwelt mir als Kind und Jugendliche begegnet ist.

Der Mensch ist ein Produkt seiner Umwelt laut Behaviorismus
Ende des 19. Jh. veränderte sich diese Sicht, dass der Mensch als fertiges Wesen geboren wird, immer mehr und im Laufe des 20. Jh. kam es dann zur Gegenströmung, die im sogenannten Behaviorismus gipfelte. Behavior Verhalten; Laut Behaviorismus ist der Mensch allein durch seine Umwelt prägbar.
Watson, einer der Begründer dieser Richtung sagte: ” Gebt mir eine Schar Kinder und sagt mir, was ich aus ihnen machen soll, einen Gelehrten, einen Handwerker oder einen Mörder und ich mache dies aus ihnen.”
Tatsache ist, dass keine der Extremrichtungen signifikante Ergebnisse bieten kann und wir ja in unserem Umfeld immer wieder sehen, dass unsere Herkunft prägend ist, aber nicht unbedingt unser Leben bestimmen muss und genauso sehen wir, dass in unserer Erbmasse manche Dinge angelegt sind, die nicht veränderbar sind. Ich denke dabei an so manche Familien, in denen bestimmte Eigenschaften feststellbar sind, wie z. B. um positive Beispiele zu nennen, Künstlerfamilien über Generationen. (Bach, Mann)

Mein Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung
Bis hierher gehen wir mit unserem Holz konform. Aber beim Menschen kommt jetzt noch eine andere Komponente ins Spiel, die dieses Stück Holz nicht hat. Das Holz konnte  nicht anders, als das zu werden, was in ihm angelegt ist und die Umwelt ihm gegeben hat. Der Mensch kann aus sich selbst heraus und einen wichtigen Teil zu seiner Persönlichkeitsentfaltung beitragen.
Mein “Ichbewusstsein”, mein Wille, mein Verstand, meine Gefühle sind Faktoren, die wesentlich an der Entwicklung meiner Person beteiligt sind.
Dann es ist sichtbar, dass Menschen mit ähnlichen Voraussetzungen, sich völlig unterschiedlich entwickeln können.
Meine Anlagen und meine Erziehung prägen stark, sie geben gewisse Grenzen, aber ich habe die Möglichkeit, diese Grenzen zu verändern, über mich hinaus zu wachsen!!
Ein Vater sagte seinem 40jährigen Sohn als der sich wieder beschweren wollte, dass seine Eltern so viel an ihm nicht richtig gemacht haben und er deswegen jetzt einfach nicht arbeiten kann: Für deine Kindheit und Jugend übernehme ich die Verantwortung, aber seit du 20 bist, bist DU verantwortlich!

Wodurch kann die Persönlichkeitsentwicklung behindert werden?
Frau Reiter trifft immer wieder Menschen, die von sich sagen, “ich kann nichts, ich bin nichts, ich trau mich nicht”. Mit diesem Bild von sich selbst gehen sie schon über Jahrzehnte durchs Leben.
Diese Personen haben eines gemeinsam, eine unsichere Persönlichkeit. Sie trauen sich nichts zu oder jedenfalls sehr wenig, obwohl in den meisten von ihnen viele Schätze verborgen liegen, die bis jetzt überhaupt keine Chance hatten, ans Tageslicht zu kommen.
Mögliche Faktoren, die dies bewirken sind:

Ein hinderndes Lebensmotto
Menschen, die von sich denken: “ich kann nichts, ich bin nichts, ich trau mich nicht”, trauen sich nichts zu, stehen nie für ihre Person ein. Sie empfinden die anderen immer als stärker, die anderen müssten helfen und sollten alles für sie tun usw.
Wieder anderen Menschen sind diese hindernden Gedanken nicht so bewusst, aber sie handeln in verschiedenen Bereichen ihres Lebens danach.
z.B. eine Familie hatte einen ca. 50jährigen Penner, Obdachloser aufgenommen. Er erzählte ihnen seine Geschichte und wie seine Eltern ihm immer sagten, dass er nichts taugt und dass es besser gewesen wäre, wenn sie ihn nicht bekommen hätten. Diese Einstellung der Eltern ihm gegenüber wurde sein Lebensmotto, das ihn diktierte. Er brach die Ausbildung ab, seine Beziehung ging in Brüche und er wurde Obdachloser. In dieser Familie erfuhr er, du bist wertvoll so wie du bist und innerhalb eines Jahres hat er sich total verändert, er blühte auf, wurde aktiv, fing an in einer Gärtnerei zu helfen. Bis er einen „Freund“ aus der früheren Zeit traf und das alte Motto war wieder da.
Die Frage an uns ist, welches Motto zieht sich wie ein roter Faden durch unser Leben? Ist es das Lebensmotto: ich bin dumm, ich bin eine graue Maus, ich bin zu laut, ich bin tollpatschig, ich bin schlampig usw.  Solch ein Motto entsteht durch die Erfahrungen in der Kindheit und so regiert die Person auch im Erwachsenenalter, obwohl sie inzwischen ganz andere Fähigkeiten entwickelt hat. Aber diese Fähigkeiten bekamen bis jetzt nicht die Chance, dieses Motto aufzulösen.
Frau Reiter nennt noch weitere Lebenslügen, von denen wir glauben, dass sie die Aspekte unseres Lebens bestimmen und unsere Entfaltung behindern:

  • alle müssen mich lieben > dann muss ich mich dementsprechend darum bemühen
  • ich muss perfekt sein > dann ist alles was ich tue, nie genug
  • jemand anders ist schuld >hindert alle Veränderung im eigenen Leben
  • du bist so viel wert wie deine Leistung > werde nur Dinge tun, wo ich weiß, dass ich gut bin
  • das Leben sollte leicht sein und fair > bin frustriert und hinterfrage mich selbst
  • Gottes- und Elternliebe muss man sich verdienen > Liebe für Leistung macht unfrei.

Dies sind Lügen über Aspekte des Lebens und das Leben wird sich völlig anders gestalten, wenn ich ihnen nicht mehr glaube.

Häufig erlebter Liebesentzug
Es gibt Eltern, die reagieren bei nicht erwünschtem Verhalten ihrer Kinder immer wieder mit Liebesentzug. Dies ist ein starkes Mittel, um uns zu bremsen. „Ich habe dich erst wieder lieb, wenn du brav bist.“ Dahinter kann sich eine Mutter verbergen, die es nicht schafft, ihrem Kind klare Grenzen zu setzen und aus ihrer Hilflosigkeit heraus ihr Kind mit Liebesentzug zur Vernunft bringen will.
Solch eine Bestrafung bewirkt ein schlechtes Gewissen bzw. Angst im Kind und es wird sich bemühen, es den Eltern recht zu machen, damit es wieder geliebt wird. Wenn diese Anstrengung ständig erfolglos bleibt, gehen manche Kinder in die Rebellion. Damit wollen sie die Aufmerksamkeit der Eltern erreichen, auch wenn es eine negative ist. Denn diese ist noch immer besser als gar keine.
Wenn über die Jahre gelernt und erfahren wurde, dass man die Anerkennung und Liebe nur dann bekommen hat, wenn man brav war, sprich dem anderen entsprochen hat, wird man sich nicht auf die Suche machen, wer man selbst ist. Sondern diese Personen haben grosse Sensoren für die anderen entwickelt. Sie wissen sehr genau, was die anderen brauchen bzw. von ihnen wollen. Aber leider nicht, wer sie selbst sind bzw. was sie selber brauchen.
Die andere Auswirkungsmöglichkeit ist, immer danach zu streben, nicht abhängig, nicht unterlegen zu sein und sich gegen jeden Anflug einer eventuellen Abhängigkeit vehement zu wehren. Das äussert sich auch darin, Menschen immer wieder von sich weg zu stossen, falls sie einem zu nahe kommen.
In beiden Bewältigungsmustern ist die Person auf die anderen ausgerichtet und hat keinen Zugang zu ihrem eigenen Ich. Sie weiss nicht, wer sie ist und weiss auch nicht, was sie braucht, wonach sie sich sehnt und was ihr helfen würde.

Aussenorientiertheit ohne Selbstwahrnehmung
Wenn Klienten ihre Geschichte erzählen, fällt immer wieder ein Satz, welchen sie von ihrer Umgebung gehört haben:” Was werden denn die Leute sagen”? Die Sorge darüber, was wer anderer von mir denken oder meinen könnte, beeinflusst mein Handeln und macht unfrei.
Hier zeigt sich, dass die Wahrung der Form oft wichtiger ist als der Inhalt. Einer Freundin von Frau Reiter. wurde als Kind immer wieder gesagt, dass der Sonntag heilig sei und man deswegen bestimmte Dinge nicht tue und zwar all das, was Kindern und Jugendlichen an einem solchen Tag Freude machen würde. Sie erzählte ihr, dass sie am Sonntag nicht draussen spielen durften wegen der schönen Kleider, dies gehöre sich nicht für einen Sonntag. Sie ist heute auch der Meinung, dass der Sonntag ein besonderer Tag sein soll, nur besonders kann doch nicht langweilig heissen!
Traditionsformen bzw. gesellschaftliche Regeln werden oft gewahrt, weil sonst die Nachbarschaft, die Verwandten oder die Gesellschaft einen negativ beurteilt. Eine Klientin erzählte, dass sie unter der Woche spazieren geht, wenn ihr alles zu viel wird. Sie weiss, dass dies in ihrer Umgebung als negativ angesehen wird und so kann sie diese so dringende Verschnaufpause wenig bis gar nicht geniessen.
Wenn wir uns immer danach richten, was die Leute meinen, dann werden wir keine Persönlichkeiten, sondern Wetterhähne werden, denn die Meinungen ändern sich ständig.

Mit meinem Leben nicht versöhnt sein
Zu Hindernissen in der Persönlichkeitsentwicklung können alle Leiderfahrungen im Leben werden. Frau Reiter ist sich sicher, auch in dieser Runde gibt es viele, die gravierendes Leid in ihrem Leben erfahren haben oder wo Dinge nicht so gelaufen sind, wie sie es sich vorgestellt haben. Und gleichzeitig ist sie sich sicher, dass manche dieses Leid in ihr Leben integrieren konnten und andere immer noch damit hadern und womöglich bitter geworden sind oder sehr frustriert. Sie weiss aus der Geschichte vieler Patienten und auch ihrer Familie, dass Leid etwas sehr Schwieriges ist und nicht leicht ins Leben integriert werden kann, aber dass dort, wo es gelingt, die Personen wieder fröhlich werden, wieder Schönes empfinden und geniessen können und sich in der Begegnung mit anderen Menschen beschenken lassen können und auch die anderen beschenken. Wer diese negativen Erfahrungen integrieren kann, wird stärker und markanter werden und trotz widriger Umstände ein erfülltes Leben gestalten können.

Wie kann ich meine Persönlichkeit mehr entfalten?
Frau Reiter zeigt noch einmal unser Holzstück. Es konnte nicht anders, als ein Baum werden und dies auch nur, weil der Same in die Erde kam und es ein entsprechendes Umfeld (Nahrung, Licht) gab.
Wir Menschen können sehr viel dazu beitragen, welche Persönlichkeit wir werden! Denn der Holzschnitzer, unser Schöpfer, hat uns ihm ähnlich gemacht, mit einer Entscheidungs- und Veränderungsfähigkeit.
Entwicklungsaufgaben und Ziele wie sie nach einem heute gebräuchlichen Altersmodell gesehen werden.

Mittleres Lebensalter (ca. 35 bis ca. 65 Jahre)

Ehe und Familie entwickeln
Zunächst steht die Familie im Mittelpunkt. Es ist Zeit, gute Gespräche mit einander zu führen und sich an schönen gemeinsamen Erlebnissen zu freuen, die Kinder im Heranwachsen zu begleiten und schliesslich die Kinder schrittweise in die Freiheit entlassen und sich auf die Ehe zu konzentrieren.

Beruf als Berufung leben
Es ist das Lebensalter, in dem wir Engagement, Zuverlässigkeit und Verträglichkeit gegenüber anderen im beruflichen und privaten Kontext zeigen.

Abschied nehmen
Es gilt das „leere Nest“ anzunehmen, wenn das jüngste Kind aus dem Haus ist, vielleicht auch den Tod von Eltern, Schwiegereltern und einigen Freunden zu betrauern.

Neue Verantwortung übernehmen
Eine neue Aufgabe kann eventuell die Pflege von Eltern oder Schwiegereltern sein oder auch die Mit-Betreuung der Enkelkinder. Wenn Zeit bleibt neben der Berufsberufstätigkeit oder allenfalls nach ihr kann es zu einem Ausbau ehrenamtlicher Tätigkeiten kommen. Wenn die familiären Ausgaben nicht mehr so gross sind, kann Geld für gute Zwecke gespendet werden. Das alles will überlegt sein.

Krankheiten annehmen und gesund leben
Körperliche Einschränkungen, Krankheiten und Gewichtszunahme müssen angenommen werden und zugleich ist es wichtig, mehr für die Gesundheit tun, z.B. täglich 10.000 Schritte mit Hilfe eines Schrittzählers gehen.

Endlichkeit akzeptieren und Ewigkeit erhoffen
Wer sich bisher nicht mit Sterben und Tod beschäftigt hat, sollte es hier, in dieser Lebensphase tun. Gut, wenn man den „Himmel“ als Realität sehen kann.

Junge Alte (60/65 – 74 Jahre)

Entwicklungsaufgabe: Sich nach innen orientieren
Ziel:

  • Die Vergangenheit bewältigen
  • Die eigene tiefere Identität finden
  • Korrigierende gesellschaftliche Impulse setzen
  • Eine spirituelle Dimension entdecken und leben

In dieser Phase erfolgt meist ein Rückblick auf die Biografie, sie wird durchgedacht, durchgearbeitet und vervollständigt. Bei der Wende in den sogenannten Ruhestand taucht die Frage auf, was ich mit dem Rest meines Lebens mache. Die nächste Frage, wie mein Leben bisher gelaufen ist, hängt sich gleich an. Es ist eine Chance der Lebensklärung und Vervollständigung gegeben.
Die Aufgabe ist es

  • auf das Leben zurück zu blicken,
  • auf Erfolge und Misserfolge,
  • auf ungelöste Konflikte und gestörte Beziehungen
  • auf Lebenspläne und ungelebtes Leben.

im besten Fall besteht die Möglichkeit, ungelöste Konflikte zu lösen, Beziehungen zu heilen, zu verzeihen, sich zu bedanken und die Ernte des eigenen Lebens wahr zu nehmen, um dann der Gesellschaft etwas vom eigenen Reichtum zu geben, sich zu engagieren, indem man z.B. die Rolle eines alten gereiften Menschen als Mentorin, als Berater in einem Lebensbereich (Familie, Schule, Betrieb, Gemeinde, Schöpfung) übernimmt. Man übt so quasi einen Altersberuf aus. Wichtig ist es, das Ende zu bedenken und vorzusorgen mit Testament, Patientenverfügung, Betreuungsvollmacht, Beerdigungsplanung.
Durch das Ausscheiden aus dem Berufsleben müssen Rollen und Positionen losgelassen werden.
Man kann neue Rollen, Strukturen und Aufgaben finden. Welche sozialen Aufgaben will ich übernehmen, welche Ehrenämter usw.
Sich einsetzen für das Wesentliche
Was ist mir wichtig? Enkel hüten, noch älteren Menschen Zeit und ein offenes Ohr schenken, Essen ausfahren, in der Kirche mitarbeiten? Es gibt eine so grosse Palette, je nach Begabung, Interesse und Zeit.
Versuchung:  Ablenkung
Konsum

      • An Gewohntem hängen bleiben >macht im Hamsterrad weiter wie bisher
      • Verleugnung des Alterns
      • Anpassung an gesellschaftliche Trends/Moden (Versuch jungendlich zu bleiben)
      • Verfestigung der Persona (d.i. der wie eine Maske nach außen gezeigte Teil der
        Persönlichkeit)
      • Unechtheit und Unglaubwürdigkeit
      • gebraucht zu werden und wichtig sein zu wollen

Folgen bei Scheitern: Depression und Resignation

Mittlere Alte (75 – 85 Jahre)

Entwicklungsaufgabe:

        • Bedenken und reflektieren
        • Lebensfrüchte einsammeln
        • Sich aussöhnen mit der Vergangenheit

Begrenztheiten annehmen:
Leben lernen mit Behinderungen und Einschränkungen, denn mit zunehmendem Alter nehmen die körperlichen, aber auch die geistigen Kräfte noch mehr ab und die Probleme zu. Immer mehr alte Menschen verlieren in dieser Altersphase ihre Lebenspartner, aber auch andere Altersgenossen, Bekannte, Freundinnen, Freunde und sind dann sehr allein. Themen in dieser Altersphase sind häufig: Trauer und Einsamkeit, aber auch der Umgang mit körperlichen Einschränkungen durch Krankheiten, Demenzen, das Annehmen von Pflegebedürftigkeit und Sterben.

Einsamkeit im Alter
Wie bereits gesagt, ist Einsamkeit natürlicherweise ein Problem des Alters und zeigt sich spätestens, wenn der Lebenspartner gestorben ist. Viele alte Menschen tun sich schwer mit neuen Kontakten und anderen Wohnformen z.B. Altenwohngemeinschaften.
Frau Reiter weist auf die Zusammenhänge von Einsamkeit und Langeweile hin, von der Einsamkeit und mangelnder Strukturierung von Zeit, von Einsamkeit und mangelnden Interessen und Werten.
Auch kann man bei alten Menschen immer wieder Flucht in Krankheiten beobachten, um mehr Kontakt und mehr Zuwendung zu bekommen.
Für die Bewältigung gesundheitlichen Belastungen gibt es kein Geheimrezept. Wichtig aber für den Alltag der meisten ist es, die auch im unscheinbaren Leben vorhandenen Chancen und Möglichkeiten zu nutzen, indem man sich täglich über etwas freut, über den ersten sonnigen Tag nach einem langen Regen, über den ersten Gesang der Vögel im Frühjahr oder die Eichhörnchen im Park, über ein gutes Wort. Eine Haltung, die man schon früh im Leben einüben kann.
Ziel:

            • Mit sich selbst im Frieden leben
            • Weisheit gewinnen und weitergeben

Versuchung: Flucht

            • Rückzug in sich selbst
            • Psychosomatische Symptombildung

Folgen bei Scheitern:

            • Vereinsamung
            • Verbitterung
            • Depression

Hochbetagte (ab 86 Jahre)

Entwicklungsaufgabe:

            • loslassen
            • annehmen
            • schenken
            • da sein
            • eins werden

Das Alter von 85 Jahren zeigt im Leben vieler alter Menschen eine kritische Grenze auf. Diese Altersphase hat alle negativen Beschreibungen des Alters auf sich vereinigt. Gerade vor dieser Altersphase mit ihren großen Belastungen fürchten sich viele Menschen, nämlich vor Verlust der Selbständigkeit, vor der Übersiedlung in ein Pflegeheim, vor Demenz, vor entwürdigender Behandlung, vor übermässigen Schmerzen und vor dem Sterben.
Wenn man es bisher noch nicht getan hat, sollten jetzt unbedingt Testamente, Patientenverfügungen, Betreuungsvollmachten ausgefüllt werden. Auch über Tod und Beerdigung sollte mit Angehörigen geredet werden. Menschen sollen Verantwortung für das Ende ihres Lebens übernehmen; die meisten überlassen es vor allem anderen. Angeblich will immer einer den anderen schonen.
Das grosse Ausmass der Probleme dieser Lebensphase und auch die Angst davor haben mit den Werten in unserer Gesellschaft zu tun. Wenn Schönheit und Jugend, Leistungsfähigkeit und Gesundheit, Durchsetzungsvermögen und Selbstbehauptung, Unabhängigkeit und Selbständigkeit in unserer Gesellschaft so hohe Werte sind, werden sich die Probleme des Lebensendes kaum verändern. Dann werden immer mehr Menschen aktive Sterbehilfe suchen bzw. Suizid begehen.
Ziel:

            • Weisheit weitergeben
            • Lebenszeugnis geben
            • In Frieden sterben

Versuchung:

            • Festhalten
            • Rückzug in eine andere Welt

Folgen bei Scheitern:

            • Verbitterung
            • Desorientierung (Altersdemenz)
            • vegetieren
            • nicht sterben können

Zur Bewältigung der „Reifeprüfung des Alters“ (Junkers in Psychologie heute 11/ 2009 S. 81) gehört es in jedem Fall, den Entwicklungsaufgaben wachsam ins Auge zu schauen, was umso besser gelingt, umso mehr ,“innere gute Objekte“, also Menschen, die wir als innerlich verfügbar bewahren konnten, wir im Laufe unseres Lebens aufnehmen konnten. Also nach guten Vorbildern Ausschau halten, es gibt sie!

Charakter hat man, Persönlichkeit wird man (Frankl)

Der charakterstarke Mensch

Leitsatz: werde, der du bist
Einen Charakter haben bedeutet: eigenartig zu sein, über eine besondere Wesensart zu verfügen, eine eigene Prägung zu haben. Charakterstarke Menschen haben eine eigene Meinung, gehen eigene Wege, verfolgen eigene Ziele. Der Grund liegt darin, dass sie mutig genug sind, ihre Eigenart im Denken, im Kommunizieren, in ihrem Temperament und in ihren Taten zum Ausdruck zu bringen. Ihre Visionen, Pläne, Ziele und Taten stehen im Einklang mit ihrem Wesen. In ihrer Nähe beginnen auch andere Pläne zu schmieden, mutiger zu werden, sie stecken an.
Obwohl alle Menschen Charakterzüge haben, fehlt manchen das Wissen um diese Anlagen oder der Mut zu ihrer Akzeptanz oder die Übung, sie auszudrücken. Hier können wir alle den Raum schaffen, dass Menschen uns von sich, von ihren Einstellungen berichten und diese im Gespräch mit uns formen. Es braucht Raum, Interesse, Annahme, Ermutigung.

Was kann man tun, um die eigenen Charakterzüge zu stärken:
Stärkung der eigenen Charakterzüge durch Vorbildsuche
Welche Menschen haben mich früher fasziniert, welche Berufsgruppen, welche Ziele, welche Visionen und Taten? Wenn wir darüber nachdenken, was uns fasziniert, denken wir über unsere eigenen Wertanlagen nach. Nur das kann in uns das Gefühl der Faszination auslösen, was in unserer Seele auf eine Ähnlichkeit stösst.
Mit sich experimentieren, um den Charakter zu stärken
Man kann sich in unübliche Situationen bringen, unbekannte Rollen übernehmen und Aufgaben. Welche Ziele sprechen einen an? Welche Form der Zusammenarbeit ist für einen motivierend (allein, im Team, Führung übernehmen)? Wie kommt man zu den besten Ideen? Welche Farben wirken inspirierend, welche Gesprächsthemen? Das stille Nachdenken ist wichtig, aber um eine Antwort zu finden, muss man hinausgehen und etwas erleben.
Andere Menschen fragen kann den Charakter stärken
Man kann Freunde und Bekannte fragen, welche Rollen und Aufgaben sie einem zutrauen, welche Ziele, Pläne und Visionen zu einem passen könnten, welche Anlagen und Werte sich in meinen Handlungen und Haltungen zeigen.
Frau Reiter erzählt aus ihrem Leben ein Beispiel: Als ich nicht wusste, ob ich mir die Aufgabe einer Leitenden Ärztin zutrauen soll, habe ich auf einer Wanderung mit einem Freund gesprochen, ob er mich in dieser Rolle sehen würde. Als er mit mir durchgegangen ist, was es dazu braucht, er meinte, dass er dies bei mir sehen könne, ermutigte mich dies mich zu bewerben und ich fühle mich sehr wohl in dieser Rolle.

Die Persönlichkeit

Leitsatz: Forme dich selbst
Ein in sich ruhender, geformter, reifer Mensch ist eine Persönlichkeit. Persönlichkeiten leben in vitaler Weise Werte wie Gelassenheit, Solidarität, Aufrichtigkeit, Besonnenheit und Mut. Sie interessieren sich für die Welt und für andere Menschen. Sie sind anderen gegenüber wohlwollend. Sie haben Ziele und Pläne, diese Ziele stehen aber nicht nur für Eigeninteressen. Hermann Gmeiner, SOS Kinderdorfgründer: „ alles Grosse in unserer Welt geschieht nur, weil jemand mehr tut, als er muss.“ Persönlichkeiten sind weder vom Beifall anderer geblendet, noch von momentanem Scheitern entmutigt. Sie sind authentische Menschen. Worte, Taten, Überzeugungen stimmen überein. Sie stehen nicht im Dienst von Macht, Selbstinszenierung oder Konkurrenz. Ihre Interessen sind immer auch im Dienst anderer, sie setzen sich für etwas Sinnvolles ein, nicht gegen andere, Kooperation spielt eine wichtige Rolle, sie sagen ihre Meinung ohne andere zu verletzen, müssen auf Angriff nicht mit Gegenangriff reagieren, sie sind menschlich geblieben, können sich einer grösseren Kraft anvertrauen, sie sind leidensfähig.
Was können wir tun, damit sich ein Mensch zu einer Persönlichkeit entwickelt?
Man wird durch Selbsterziehung zu einer Persönlichkeit. Persönlichkeitswerdung geschieht dadurch, dass man lernt, auf die Fragen des Lebens reif und aufrecht zu antworten und dadurch, dass man beginnt, sich selbst zu formen. Diesen Prozess können wir von aussen nicht bewirken, nur unterstützen.
Begegnung mit reifen Menschen hilft in der Formung der eigenen Persönlichkeit, Wertschätzung, Wohlwollen und Aufrichtigkeit wirken ansteckend. Man vergisst die Begegnung mit Persönlichkeiten nicht. Persönlichkeiten schaffen Persönlichkeiten. Das ist die Aufforderung an uns, an unsere Persönlichkeitsentwicklung dran zu bleiben.
Nachdenken über die wichtigsten Werte im Leben
Was brauchst du, um ein wertvolles Leben führen zu können? Wofür möchtest du deine Begabungen einsetzen? Wofür bist du bereit, auch Anstrengung auf dich zu nehmen?
Als Beispiel: Giosch Albrecht, der das Institut für Logotherapie und Existenzanalyse in Chur gegründet hat. In höherem Alter war er noch bereit, das Institut zu leiten, weil es ihm ein Anliegen ist, die Logotherapie zu verbreiten, von der er überzeugt ist.
Fragen zur persönlichen Haltung
Wem gehört deine ganz besondere Achtung und warum? Welche wirklichen Persönlichkeiten hast du in deinem Leben kennen gelernt? Interessierst du dich für andere Menschen oder nur für dich?
Gespräche mit Persönlichkeiten sind ermutigend, erfrischend, wohl tuend. Reife Menschen interessieren sich für andere und fragen nach.
Sorgen um das Schöne
Die Persönlichkeitsbildung kann durch die Erfahrung, dass die Welt auch schön, gelingend, heil und heiter sein kann, gefördert werden. Friedrich Schiller: „ Schönheit ermöglicht das Wachstum der Humanität.“ Es liegt auch an uns für das Schöne in der Umgebung anderer zu sorgen und ihre Wahrnehmungsfähigkeit zu fördern. Wir können auf das Schöne hinweisen.
Sich immer wieder auf das, was das Leben wirklich trägt, besinnen
Bei Persönlichkeiten wie Martin Luther King, Dietrich Bonhoeffer, Dag Hammersköld…finden wir als Lebensfundament nicht kurzfristig erreichbare und sehr leicht verlierbare Werte, sondern den Glauben, den Sinn und/ oder eine tiefe Humanität.
Eine Persönlichkeit ist ein in sich ruhender Mensch. Die Fähigkeit, in sich zu ruhen, nennt die Philosophie Besonnenheit. Sich auf das, was letztlich trägt, zu besinnen. Den eigenen Selbstwert, die eigene Existenzberechtigung in ganz tiefen Schichten verankern. Wie erwerben wir diese Fähigkeit?
Gedankenformen: unsere inneren Sätze beeinflussen das seelische Gleichgewicht und die Lebensführung, unsere Einstellung zu uns und anderen Menschen. Sie sind aber wie ein Orchester, das ohne Dirigent willkürlich probt. Wir brauchen gute Sätze, nicht nur von anderen. Menschen, die ein starkes seelisches Fundament haben, stellen sich an den Dirigentenpult. Sie beginnen die Grundaussagen ihrer Gedanken selber zu bestimmen und in diese Grundaussagen tiefe Heilssätze hinein zu nehmen.
Körperliche Gelassenheit: Solange die Bewegungen fahrig und rastlos sind, solange der Gang gehetzt ist, wird die Seele nicht zur Ruhe kommen.
Ein 40jähriger Familienvater meint, “bis 30 bin ich nur gerannt und wusste nicht, wer ich bin!” Um Persönlichkeit zu werden braucht es ein Innehalten, einmal stehen bleiben und zu schauen, zu spüren, was da alles in mir ist an Anlagen, an Fähigkeiten, an Wünschen und Sehnsüchten
Eine Persönlichkeit hat ein klares, lebensförderndes Wertesystem
Ein Wert ist das, was ein Mensch als wertvoll ansieht. Werte können wir im immateriellen Bereich finden: ein Kind, eine Familie, ein Freund, eine Reise oder auch im materiellen Bereich: ein Haus, ein Garten usw. Werte kann man aber auch im zwischenmenschlichen Verhalten finden: Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit, Wertschätzung usw. Wenn immer Ich-Werte Vorrang haben, misslingt das Leben. Wenn aber immer Du-Werte Vorrang haben oder Werte der anderen, misslingt es auch. Ein reifer Mensch kann auf die eigenen Werte achten und auch einen Blick für die Du-Werte und jene Wertekreise haben, die weiter von ihm entfernt sind.
Eine Persönlichkeit stellt sich den Aufgaben ihres Lebens
Nicht wir sind es, die dem Leben Fragen zu stellen haben, sondern das Leben stellt Fragen an uns, so Frankl. Dieses Fragen geschieht durch Aufgaben, die durch das Lebensalter oder durch die Lebenssituation gestellt werden. Wir müssen persönliche Antworten darauf geben. Wir antworten durch unseren Einsatz, durch unser Tun, durch unsere Haltung oder dadurch, dass wir etwas nicht tun. Durch das bewusste Antworten geschieht Sinn in unserem Leben.
Eine Persönlichkeit setzt sich für eine lebenswerte Welt ein. Eine Persönlichkeit setzt sich für sich selbst ein, kann sich aber auch für Ziele einsetzen, die ausserhalb ihrer Eigeninteressen liegen. Sie kann Verantwortung für ihre nächsten Mitmenschen übernehmen. Ganz im Sinne Hillels: Wenn nicht ich, wer dann? Wenn nicht jetzt, wann dann? Aber wenn nur für mich: was bin ich dann? Das Faszinierende ist, dass Persönlichkeiten sich immer wieder für etwas einsetzen, was nicht nur für ihre unmittelbare Umgebung ein Gut ist, sondern viel weit reichender wirkt. Der Einsatz ist unabhängig vom Lohn oder Beifall. Martin Luther King wollte Versöhnung und Gerechtigkeit zwischen Schwarz und Weiss. Viktor Frankl wollte den Weg zum Sinn aufzeigen. Im Leben von Persönlichkeiten entdecken wir Leidenschaft, sich für Ideen und Ziele einzusetzen, die auch anderen zu gut kommen können, Leidenschaft sich für Dinge zu engagieren, die die Welt ein bisschen besser machen, als sie gerade ist, die das Leben von Menschen lebenswerter machen. Die Leidenschaft von Persönlichkeiten entspringt  aus einem Dreifachen: Sie sehen den Handlungsbedarf, sie werden durch die Not berührt, sie müssen das Beste, was in ihnen steckt, geben.
Persönlichkeiten können lachen
Sie können das Heitere, das Leichte, das Unbeschwerte auch leben. Wirkliche Persönlichkeiten sind milde in ihrem Urteil, obwohl sie einen klaren Standpunkt vertreten. Sie könne wohlwollend mit Schwächen umgehen, auch mit den eigenen.

 

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Lebenserfahrungen – was daraus geworden ist oder noch werden könnte

Vortragsreihe Offenen Fenster vom 2. März 2016

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Referentin und Autorin Elsi Altorfer, Pfarrerin i.R. Winterthur

Unsere Gesichter sind vom Leben gezeichnet. Das Leben hat Spuren hinterlassen, so wie ich es einmal auf einer Karte gelesen habe: Leben bedeutet Veränderung. Zeit hinterlässt Spuren. Alter erzählt Geschichten. In der Bibel wird der Mensch manchmal mit einem Baum verglichen. Mir gefällt dieses Bild und ich werde es heute verwenden. Natürlich bleibt es ein Bild und man kann nicht alles 1:1 übertragen, aber vieles.
Die Jahrringe eines Baums sagen etwas aus über dessen Erlebnisse. Sie zeigen das Alter eines Baumes an. Sie verraten etwas über die Bedingungen, unter denen ein Baum gewachsen ist. Das Muster der Jahrringe hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie Klima, Standort und Bewirtschaftung des Waldes durch den Menschen. Breite Ringe zeigen kräftiges Wachstum an, schmale Ringe reden von schlechten Jahren für den Baum mit z.B. wenig Regen oder vielen Schädlingen. Ovale Ringe mit unterschiedlich starkem Wachstum deuten darauf hin, dass der Baum an einem Hang stand oder von einer bestimmten Seite starkem Wind ausgesetzt war.
Mit unserem Leben ist es auch so. Die verschiedenen Erlebnisse hinterlassen Spuren. Zu jedem Leben gehören ganz verschiedene Erfahrungen.
Zur Kindheit gehört das Eingebettet sein in eine Familie, Fürsorge erfahren. Entdecken der Welt, Lernen in jeder Form. Das ist nicht allen garantiert. Es kann auch in der Kindheit schwierige Erfahrungen geben wie Gewalt, Vernachlässigung. Schulprobleme.
Die Jugend ist geprägt von der Persönlichkeitsentfaltung, dem Suchen des eigenen Weges, Berufswahl, Lebensgestaltung. Ziele erreichen wie Abschluss einer Berufslehre oder Studienabschluss sind wichtige Erfahrungen. Heirat, Familiengründung oder Ehelosigkeit. Freundschaften, treue Begleiter, Berufliche Karriere.
Zu jedem Leben gehören auch Schwierigkeiten. Beruflich: Übergangen werden bei Beförderung, Wirtschaftlich: Firmen, die Konkurs machen oder übernommen werden, politische Verhältnisse, die ein Engagement im Ausland verunmöglichen, gesundheitliche Einbrüche, Unfall usw.
In irgendeiner Weise gehört auch Scheitern, Ziele nicht erreichen, schuldig werden zu jeder Person.
Wir erleiden Verluste z.B. der Eltern, des Ehepartners, eines Kindes oder anderer nahestehender Personen, müssen Abschied nehmen.

Jagsthausen 07.12 (6) (Medium)Erleben wieder Hoffnung, neuen Aufbruch und werden alt.
Die letzte grosse Veränderung ist das Sterben.
Solche Erlebnisse teilen wir mit vielen. Viele sind krank geworden, haben Erfolg und Glück gehabt, haben Verluste erlitten, sind irgendwo gescheitert. In diesem Sinn sind die Ereignisse unseres Lebens nicht einzigartig. Aber unser Umgang mit diesen Erfahrungen ist einzigartig. So kann es sein, dass Menschen, die ähnliche Erlebnisse machen, ganz verschieden darauf reagieren. Das hängt zusammen mit unserer Persönlichkeit und mit den Ressourcen, die wir haben. Es gibt Menschen, die wachsen und reifen an Widerständen, sie lernen aus ihren Fehlern und sie sehen auch nach Verlusten immer wieder etwas Lebenswertes. Andere geben auf, trauern ewig dem nach, was sie nicht haben, werden hart und verbittert. Die Gegebenheiten können wir nicht beeinflussen, sie sind wie sie sind. Unsere Einstellung dazu und wie wir damit umgehen, das ist einzigartig. Davon hängt ab, was aus unseren Erfahrungen wird, ob sie fruchtbar werden für uns und andere oder ob sie unser eigenes und das Leben anderer belasten.
Unsere Einstellung und unser Umgang
Unsere Einstellung zum Leben ist geprägt davon, wie wir aufgewachsen sind, welche Einstellungen zum Leben uns vermittelt wurden. Als erwachsene Menschen lernen wir aber auch selber zu denken und können uns neu einstellen. Bis an unser Lebensende sind Veränderungen möglich, allerdings nicht unbedingt mehr im gleichen Mass wie früher. Wichtig ist, an wem oder was wir uns orientieren, welche Werte für unser Leben wesentlich sind. Ich begegne immer wieder Menschen, die den Eindruck haben, das Leben müsse ihnen alles bieten, was sie sich wünschen. Sie hätten ein Anrecht darauf. Wer hat uns das versprochen? Das Leben ist ein wunderbares Geschenk. Bei jedem Baby, das mir begegnet, denke ich dies. Es gibt viele Möglichkeiten. Das Leben ist aber auch eine grosse Aufgabe, die uns gestellt ist und in der es ganz verschiedene Lektionen zu lernen gilt, wie zuverlässig und treu sein. Sich den Herausforderungen stellen, lernen sich zu überwinden, Ausdauer üben, geniessen und verzichten lernen. Festhalten und Loslassen, siegen und verlieren, vertrauen und sich abgrenzen.
Es ist eine wunderschöne Zeit, wenn Bäume blühen. Da ist so viel zu sehen von Lebenskraft und Lebensfreude. Es ist auch schön, wenn sich Leben entfaltet, wenn man als junger Mensch merkt, was in einem steckt und man eine Ausbildung machen kann. Lehrabschluss oder Studienabschluss sind dann Höhepunkte. Eine Stelle finden, wo man sich seiner Gaben entsprechend einbringen kann, ist wichtig. Karriere machen, Erfolg haben, das freut uns..
Menschliche Beziehungen pflegen, Partnerschaft, Heirat, Familiengründung oder Leben als Single. Wenn das Leben gelingt und vieles möglich macht erfahren wir Bereicherung.

Frühlimg 2015 (Medium) Das Gute geniessen und dafür danken
Das Gute des Lebens soll nicht für selbstverständlich genommen werden. Wer es geniesst und dafür dankt, hat mehr vom Leben. Das gibt Zufriedenheit. Es gibt die Geschichte von der Frau die am Morgen ein paar Bohnen in die linke Jackentasche steckte. Bei jedem guten Erlebnis durch den Tag legte sie eine davon in die rechte Tasche. Abends nahm sie die Bohnen aus der rechten Tasche und dachte über die guten Erlebnisse nach, freute sich daran und dankte. Wer dankt, ist reich. Wer alles für selbstverständlich hält und den Eindruck hat, das Leben müsse ihm alle Wünsche erfüllen, wird weniger zufrieden sein. Wer dankbar ist, kommt auch eher auf die Idee, dass das Gute, das ihm geschenkt ist, auch eine Verpflichtung sein könnte, dass man mit dem, was man hat, anderen dienen könnte. Ich behaupte: wer das tut, hat mehr vom Leben, als wer alles für sich allein haben will.
Gute Ereignisse, die Freude machen zu akzeptieren, fällt uns in der Regel nicht schwer. Dankbarkeit macht das Leben reich. Und die Bereitschaft mit anderen zu teilen macht glücklich. Das Leben wird kostbarer, wenn wir danken. Es lohnt sich, nachzudenken, wofür man zu danken hat. Wenn ihr euer Leben mit einem Baum vergleicht, wofür habt ihr zu danken? Für den Grund, in dem ihr verwurzelt seid? Für den offenen Himmel über euch? Für das, was zum Blühen gekommen ist? Für Früchte, die gewachsen und gereift sind? Was ist euch anvertraut, damit ihr mit dem anderen dient? Es mit andern teilt? Zum Danken ist es nie zu spät!
Im Alter wird der Radius des Lebens enger. Nicht mehr alles ist möglich. Da ist es wichtig, sich an viele gute Erlebnisse von früher zu erinnern. „Erinnerungen sind wie Rosen im Winter“ habe ich einmal gelesen. Wer guten Erinnerungen Raum gibt, kann ein dankbares Herz bewahren, auch wenn die Grenzen des Lebens enger wird.

20150812_125138 (Medium) Umgang mit schwierigen Erfahrungen
Im Leben gelingt nicht alles. Wir erleben Niederlagen oder Misserfolge, die wehtun. Man kann übersehen werden bei Beförderungen. Menschen können enttäuschen. In jugendlichem Übermut kann man sich auch überschätzen und fällt auf die Nase. Manchmal werden Bäume veredelt. Äste werden abgeschnitten und edle Zweige eingepfropft, damit bessere Frucht wachsen kann. Manche schmerzliche Erfahrung im Leben dient vielleicht dazu, dass bessere Frucht in uns reifen soll. Manchmal begegnet uns Widerstand. Dadurch können wir uns lähmen lassen oder erstarken. In einem Interview wurde Dr. Guido Zäch, der Gründer des Paraplegiker-Zentrums gefragt, wie er mit dem Widerstand, den er erlebt habe, umgegangen sei. Er sagte: „Der Widerstand hat mich motiviert, noch mehr zu geben. Ohne Widerstand hätten wir nie erreicht, was schlussendlich möglich geworden ist.“
Zu jedem Leben gehören schwierige Erlebnisse. Nicht alle Ziele erreichen wir, Scheitern gehört zum Leben. Durchkreuzte Lebenspläne oder Wünsche. Krankheit oder Unfall, Niederlagen und Misserfolge, Verlust von geliebten Menschen durch Tod oder Scheidung, Verlust von Arbeit, Heimat etc., Existenznöte, Lasten und Leiden verschiedener Art. Das kann ein Leben sehr belasten!
Es gibt Leute, die sagen, man dürfe nicht fragen WARUM, wenn einem etwas Unverständliches geschehe. Ich finde das unmenschlich, denn die Fragen kommen einfach.
Ich finde die Aussage von Rainer Maria Rilke hilfreich: Wir sollen versuchen, die Fragen lieb zu haben, sie zu leben, vielleicht leben wir dann allmählich in die Antwort hinein.
In meinem Leben gibt es ein paar offene Fragen, auf die ich keine Antwort bekommen habe. Eines Tages haben diese Fragen ihre Bedeutung verloren, weil ich gemerkt habe, dass meine Erfahrung mir hilft, andere zu verstehen und einen Weg mit ihnen zu gehen. In der Aufgabe als Spitalseelsorgerin habe ich auf die Fragen vieler Menschen auch keine Antwort gehabt, aber ich habe verstehen können, was sie bewegt und ich konnte mit ihnen die Fragen aushalten. Das war für mich wie eine Frucht meines eigenen Leidens.
Ein Baum muss manchen Frost, viel Hitze, Sonnenschein und Regen und manchen Sturm überstehen bis Früchte an ihm reifen. So ist es auch mit uns Menschen.
Es gibt aber Verlusterfahrungen, die Menschen so tief treffen, dass sie sich wie vom Leben abgeschnitten vorkommen, wie z.B. der Tod eines Kindes, des Partners, ein Unfall, der das Leben massiv verändert. Körperliche Einschränkungen. Flucht. Auch die Pensionierung kann eine solche Erfahrung sein. Oder es wird einem schmerzlich bewusst, dass etwas, was man sich erträumt hat, gar nie gelebt werden konnte, z.B. durch unfreiwillige Kinderlosigkeit, unfreiwillige Ehelosigkeit.
Solche Erfahrungen steckt man nicht einfach weg. Sie sind mit einem Trauerweg verbunden, der bei jeder Person anders aussieht, aber nötig ist.
Auch Menschen können einander trösten Trauer braucht seine Zeit. Sie ist nötig und sie ist individuell. Jede/r hat den eigenen Weg. Es ist wichtig, sich die Zeit zu gönnen und den eigenen Weg zu finden um schwierige Erfahrungen akzeptieren zu können.
Nach dem Grounding der Swissair im Oktober 2001 war in der Flughafenkapelle zu lesen:
„Wenn du verlierst, wofür du gelebt hast, tritt neben dem Schmerz Stillstand ein.
Nimm dir Zeit zum Trauern, aber schliesse nie zu lange die Augen im Schmerz, denn sonst kannst du nicht sehen, wofür es  sich erneut lohnt zu leben“.
Trauer ist nötig, aber dann braucht es auch wieder die Zuwendung zum Leben. Die Ausrichtung ist wichtig. Ich kann mich auf den Verlust oder auf die Last, die mir aufgebürdet wurde fixieren oder das sehen, was mir gegeben ist, was lebenswert ist und was mir als Aufgabe gestellt ist. Dazu braucht es manchmal eine ganz bewusste Entscheidung.

IMG_0158 (Medium) Standhaftigkeit braucht gute Verwurzelung
Um im Sturm zu überleben, braucht es gute Wurzeln. Die Wurzeln sind oft nicht sichtbar, aber nötig, damit wir Kraft schöpfen können. Es ist ein Geschenk, wenn man in Kindheit und Jugend gute Wurzeln schlagen durfte in der Familie und auch im Glauben. Und es braucht auch Mitmenschen, Gemeinschaft mit anderen Menschen, mit denen wir austauschen können. Man kann auch im Alter noch neue Beziehungen mit Menschen aufbauen. Es ist nicht mehr so leicht, aber es kann gelingen. Das Offene Fenster soll auch dazu dienen, Beziehung zu erleben und zu vertiefen. Dass unser Körper Nahrung braucht ist selbstverständlich, aber Geist und Seele benötigen sie auch. Wir brauchen Worte, die uns Halt und Kraft geben. Wir brauchen Nahrung für unser Gemüt. Etwas, das uns zum Staunen bringt. Das Schöne in vielerlei Formen, Musik, ein gutes Buch, eine Ausstellung, ein Ausflug, Blumen, ein schön angerichtetes Essen. Die Seele nährt sich an dem, woran sie sich freut. sagte Augustin. Es tut gut, sich zu überlegen: Wo bin ich verwurzelt? Gehen meine Wurzeln tief genug oder wäre es wichtig, tiefer zu graben? Was nährt mich? Was tut meiner Seele gut?

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Loslassen
Bäume lassen im Herbst die Blätter fallen, um gut durch den Winter zu kommen. Wenn früh im Herbst, wenn das Laub noch dran ist, eine richtige Ladung Schnee kommt, brechen die Äste viel leichter, als wenn sie kahl sind. Auch loslassen ist nötig, um das Leben zu bestehen. So wichtig es ist, gute Erinnerungen zu bewahren, so wichtig ist es auch, bittere Erinnerungen los zu lassen. Bitterkeit und Unversöhnlichkeit sind schwere Lasten. Sie machen Menschen hart und unfruchtbar. Auch Schuld kann manchmal drücken und niemand von uns kommt schuldlos durchs Leben.
Mit dem Älterwerden gilt es auch Aufgaben und Verantwortungen los zu lassen. Und manchmal auch viele Dinge wie ein Haus, eine Wohnung, viele Sachen. Loslassen ist nicht immer einfach, manchmal braucht man Menschen, vielleicht auch Fachleute, die einem dabei helfen. Niemand muss allein mit allem fertig werden.

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Vielleicht kommen wir uns dann manchmal vor wie ein ganz kahler Baum. Aber auch ein kahler Baum kann wunderschön leuchten, wenn Schnee und Sonne oder eben Gottes Licht und Glanz auf ihn fällt.

Sehbehinderung im Alter

Vortragsreihe  Offenes Fenster  vom 06.01.2016

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Referenten:
Gabriele Burghart und Cheryl Dougherty
SBV Beratungsstelle Chur

Irgendwann stellt man fest, dass man die Zeitung nicht mehr gut lesen kann, dass man die Menschen auf der Strasse nicht mehr erkennt, sich beim Einkaufen nicht mehr zurecht findet, den Bank- und Postomaten nicht mehr bedienen kann, eine Fahrkarte lösen usw. Am Tag blendet die Sonne und in der Nacht die Autos mehr als je zuvor.
Ein Termin beim Augenarzt wird vereinbart und die Sehbehinderung bekommt einen Namen. Altersbedingte Makuladegeneration (AMD),  grauer Star (Katerakt), grüner Star (Glaukom) etc. Aber was nützt es einem, wenn man die Diagnose kennt, besser sieht man trotzdem nicht.
Eine gewisse Freiheit die man einst hatte, wie Autofahren, ins Kino, Theater oder Konzert zu gehen wird plötzlich eingeschränkt
Der Betroffene  ist auf die Hilfeleistungen anderer Menschen angewiesen  und das ist nicht immer einfach.

Die Beratungsstellen des Blinden- und Sehbehindertenverbandes SBV bieten in diesen Bereichen  wertvolle Unterstützungen an.

Sozialberatung

Low Vision

Hilfsmittel, einige davon wurden vor Ort gezeigt und erklärt.

Orientierung und Mobilität
Training im Alltagsleben wie Führungstechniken
Gehen mit dem weissen Signal- oder Langstock
Essen mit Gabel und Messer.
Frau Burghart zeigt zusammen mit Frau Jansen die Führungstechniken bei  Treppen und sich sicher auf einen Stuhl setzen.
Sie erwähnt, dass Bewegungen immer mit einer gewissen Eleganz trainiert werden, man soll und will ja nicht auffallen. All das braucht sehr viel Energie  und Durchhaltewillen seitens der Betroffenen, aber es lohnt sich und stärkt das Selbstwertgefühl.

Lebenspraktische Fähigkeiten
Essen mit Gabel und Messer
Kochen, Putzen, Waschen  etc. es gibt jedoch auch Verrichtungen, die man abtreten darf wie z.B. Bügeln, Fenster putzen usw
Mobilitätstraining und Lebenspraktische Fähigkeiten werden immer 1:1 und den Bedürfnissen der Betroffenen durchgeführt.

Beratung für Angehörige

Arbeitsplatzabklärungen

Sensibilisierungen und Kurse

Freiwillige Helferinnen und Helfer

Ebenfalls gibt es in Chur eine Kreativgruppe
Die Kreativgruppe trifft sich jeweils am Donnerstag Nachmittag von 14:00 bis 17:00 Uhr mit den Leiterinnen Frau Weber und Frau Collenberg auf der Beratungsstelle. Die Teilnehmenden arbeiten mit verschiedenen Materialien wie Peddigrohr, Wolle, Farben oder Ton. – Das Zusammensein und die sozialen Kontakte sind ein wichtiger Teil der Nachmittage.

Kontakt
SBV – Schweizerischer Blinden- und Sehbehindertenverband
Beratungsstelle Graubünden
Steinbockstrasse 2 / Postfach
7001 Chur
Telefon:  081 257 10 00

Auf Spurensuche

An der Adventfeier des Offenen Fensters, unter dem Motto: Spurensuche, erfreute Hanspeter Wirth mit der Geschichte des Liedes „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit…“ und Vreni Wirth mit der  Entstehungsgeschichte von „O, du fröhliche…“ die Besucher. Beide Lieder wurden anschliessend mit musikalischer Begleitung gesungen.

Elsy Thomas berichtete über den Christstollen und las eine heitere Geschichte dazu vor. Uschi Jörg gab Informationen zu den bekanntesten Weihnachtsgewürzen und zum beliebten Lebkuchen. Peter Caley berichtete anschliessend über den englischen Christmas-Cake.

Die Adventfeier wurde auch dieses Jahr von Klavier und Querflöte umrahmt. Die Atmosphäre war warm und herzlich und wurde lobend und anerkennend erwähnt. Natürlich freuten sich die Besucher auch über das kleine Präsent, das ihnen am Schluss mitgegeben wurde, nämlich einer kleinen Duftkerze mit einem speziell weihnächtlichen Streichholzbriefchen und beiliegend der Geschichte vom Streichholz.
Den Mitwirkenden dankte Uschi Jörg mit einem selbstgekochten Glühweingelée.

Entstehungsgeschichte des Liedes
Macht hoch die Tür – die Tor macht weit…

Der Liederdichter und Pfarrer Georg Weissel hat dieses Lied 1623 zur Einweihung der neu erbauten Altroßgärtner Kirche in Königsberg gedichtet. Damals öffneten sich am 2. Advent die Kirchentüren des neuen Gotteshauses. Weissel greift mit seinem Lied auf alttestamentliche Texte (z.B. Psalm 24 oder Sacharja 9) zurück, die für ihn klare Verheißungen auf das Kommen des Messias gewesen sind.
Ein Jahr nach der Einweihung der Kirche soll sich 1624 folgendes in Königsberg ereignet haben: An der neugebauten Kirche freuten sich besonders Bewohner des nahegelegenen Armen- und Siechenhauses, die es vorher einfach nicht mehr zum Gottesdienst in den Dom geschafft hatten. Nun hatten sie nur noch einen kurzen Fußweg und konnten endlich wieder an den Gottesdiensten teilnehmen. Allerdings gab es da auch  einen reichen Fisch- und Getreidehändler Sturgis, der im Stadtteil Altroßgarten wohnte und an dessen Haus der Trampelpfad vorbeiführte, den die Armenhäusler benutzten. Den Reichen ärgerte der Anblick der Armen – und er entschloss sich, das angrenzende Weideland zu kaufen. Er machte daraus einen Gartenpark mit einem hohen Zaun darum. In Richtung Armenhaus baute er ein prächtiges Tor, verriegelt und verrammelt, und in Richtung Stadt eine kleine Pforte, für sich selbst, damit er auf dem Trampelpfad schnell zur Kirche und zur Stadt laufen konnte.
Die Armenhäusler erzählten Pfarrer Weissel von ihrer misslichen Lagen, dass sie jetzt wieder nicht zum Gottesdienst gehen konnten. Um Hilfe gebeten, hatte der Pfarrer eine Idee. Als die nächste Adventszeit kam, sollte es auch wieder  das alljährliche Kurrendesingen in den Häusern geben. Nur, dass sie diesmal nicht im Hause des Fisch- und Getreidehändlers Sturgis singen wollten. Die Gemeindegruppe und der Chor stellten sich vor das große, verschlossene Gartentor. Pfarrer Weissel begann eine kleine Ansprache und Sturgis sah das Geschehen aus seinem Fenster. „Das kann doch nicht sein, dass die Gemeinde nicht zu mir hinein ins warme Haus kommen will?“, so fragte er sich. Und Sturgis lief in seinen Garten und hin zum großen Gartentor – und hörte dort, wie der Chor zu singen begann: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit…“. Bei der zweiten Strophe dann zückte Sturgis den Schlüssel und öffnete das große Tor. Alle durften in seinen Garten. Und fortan blieben Tor und Tür offen, für alle, auch für die Armen und Kranken.
Die Königsberger im Stadtteil Altroßgarten nannten den kleinen Weg durch den Gartenpark seitdem ihren „Adventsweg“

Entstehungsgeschichte des Liedes
Oh du fröhliche …

Adventszeit! In vielen Häusern der Stadt Weimar bereitete man sich auf das Christfest vor. Aber dem Ehepaar Falk schien es fast unmöglich, alles für das Fest herzurichten. Am liebsten wären sie still zum Friedhof gegangen, wo ihre sechs Kinder ruhten, die innerhalb weniger Wochen einer furchtbaren seuche zum Opfer gefallen waren.
Und doch wartete eine Kinderschar auf ihre Liebe und freute sich auf das Fest. Es galt, diesen Kindern eine neue Heimat zu geben. Das hatten die schwergeprüften Eltern an jenem Abend erkannt, als der erste kleine, völlig zerlumpte Junge mit den Worten an ihrer Tür stand: “Ich habe solchen Hunger. Meine Eltern sind von den Franzosen totgeschlagen worden. Seit zwei Wochen bin ich auf der Landstrasse.”
Da hatten sie sich trotz ihres eigenen Schmerzes des Jungen angenommen. Ihm waren noch viele andere gefolgt, auch der kleine Italiener, der niemanden mehr auf der Welt hatte. Nur einmal war er aus sich herausgegangen, da hatte er ein Lied aus seiner Heimat gesungen. Dann war er wieder verschlossen wie vorher. Die Pflegeeltern gaben sich viel Mühe, den Weg zu der vereinsamten Seele ihres kleinen Schützlings zu finden.
Weihnachten 1816 nahte. Johannes Daniel Falk stand vor seinen Büchern. Er suchte ein bestimmtes Buch. Da, endlich fand er es, das Buch seiner Freundes Gottfried Herder, der Lieder aus allen Teilen der Erde gesammelt hatte. “Stimmen der Völker in Liedern” war der Titel.
Eifrig blätterte Vater Falk darin. Dann fand er, wonach er gesucht hatte: eines der schönsten italienischen Volkslieder, ein sizilianisches Fischerlied. Sein Freund hatte es in Sizilien bei den Fischern gehört, die es immer zu singen pflegten, ehe sie ihre Boote bestiegen. Er hatte damals gesagt: “Das ist ein Lied, in dem die Seele eines Volkes lebt. Wenn einem doch ein solches Lied in seinem Leben geschenkt würde!” Dieses Lied wollte Vater Falk seinen Pflegekindern schenken, besonders dem kleinen, verschlossenen Pedro.
Während von der nahen Stadtkirche die Glocken den letzten Adventssonntag einläuteten, sass in seinem Zimmer ein Mann, dem alle eigenen Kinder genommen worden waren, und schrieb ein Lied für die Kinder, die ihm anvertraut waren. Er, der selbst so viel Leid erfahren hatte, fasste die wunderbare, frohmachende Botschaft der Weihnachtsgeschichte in die Worte: Oh, du fröhliche, oh du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit….
In seiner Urfassung war das Lied ein von Falk so bezeichnetes „Allerdreifeiertagslied“, in dem die den drei Hauptfesten der Christenheit Weihnachten, Ostern und Pfingsten zugrunde liegenden Heilstaten besungen wurden.

Christ-oder Weihnachtsstollen

Im Gedenken an die Kinder von Bethlehem wurde im Mittelalter der Christstollen gebacken.
Die Geschichte des Christstollen
Vor gut 700 Jahren wurde irgendwo in Deutschland der erste Stollen aus dem Ofen gezogen. Rezept und Entstehung liegen im Dunkeln. Schön ist umso mehr die Geschichte, die den Stollen begleitet: Der Stollen gehört zu den Gebildebroten, Backwaren also mit Symbolcharakter. Wichtig sind die Form und die dicke weiße Puderzuckerschicht, denn sie weisen auf die weissen Tücher, in welche das Christuskind nach seiner Geburt in Bethlehem gewickelt wurde.
Somit ist also der Stollen ein Symbol für das Christuskind.
Im Gedenken an die durch Herodes getöteten Kindlein, war es früher üblich, den Christstollen erst am Tage der unschuldigen Kindlein,  am 28. Dezember, anzuschneiden.

Der ungeduldige Weihnachtsstollen

Es war einmal ein Weihnachtsstollen, der war ganz durchknetet von dem Gedanken, als leckeres Frühstücksbrot mit Butter zu dienen. Ja, es wurde ihm sogar in Aussicht gestellt, zum Nachmittagskaffee serviert zu werden, wie Kuchen, wie richtiger Kuchen.
Nun lag der süße Stollen aber schon wochenlang im Brotfach, lag da in durchsichtigem, glänzendem Weihnachtspapier mit Schneelandschaft und Christkind-Schlitten und musste mit ansehen, wie alle anderen Brote gebraucht wurden: das Schwarzbrot, das Vollkornbrot; sogar das Weißbrot und das Knäckebrot kamen regelmäßig an die Reihe und durften sich bewähren.
Ich glaube, der Stollen wurde ganz blass vor Neid und vor Ungeduld, aber das konnte man nicht sicher sagen, weil er ja über und über mit Puderzucker bedeckt war. “Da hat man soviel Aufhebens um mich gemacht,” dachte der Stollen bitter wie Sukade, “hat mich gesüßt und mit Rosinen gespickt. Ja, sogar Marzipanstückchen hat die Hausfrau in mich hinein gebacken. Und nun? Nun bin ich überflüssig und gammele hier `rum, schön und lecker, aber unnütz.”
Doch dann kam Heiligabend. Die Hausfrau stellte im Wohnzimmer die Geschenke auf.
Und nun, nun deckte sie in der Küche den festlichsten Kaffeetisch des Jahres; und das Beste, das Edelste und das Leckerste, das sie zu bieten hatte, das war der Weihnachtsstollen.
Leider konnte er seine große, feierliche Wichtigkeit nicht lange genießen, denn er schmeckte gar zu gut und war schnell gegessen.

Das ZÜNDHOLZ und die KERZE

Es kam der Tag, da sagte das ZÜNDHOLZ zur KERZE: „Ich habe den Auftrag dich anzuzünden!”
„Oh, nein“; erschrak die Kerze, „nur das nicht! Wenn ich brenne, sind meine Tage gezählt. Niemand mehr wird meine SCHÖNHEIT bewundern.”
Das Zündholz fragte:
„Aber willst DU denn das ganze LEBEN lang kalt und hart bleiben, ohne gelebt zu haben?”
„Aber Brennen tut doch weh und zehrt an meinen Kräften“, flüsterte die Kerze unsicher und voller ANGST.
„Es ist wahr“, entgegnete das Zündholz,
„-aber das ist doch das GEHEIMNIS der BERUFUNG! DU und ICH sind berufen LICHT zu sein!
Was ich als Zündholz tun kann, ist wenig. Zünde ich dich aber nicht an, vergesse ich den SINN meines LEBENS. Ich bin dafür da, FEUER zu entfachen! Du bist eine KERZE. DU bist da, um zu leuchten und WÄRME zu schenken. ALLES, was DU an SCHMERZEN und LEID und KRAFT hingibst, wird verwandelt in Licht. DU gehst nicht verloren, wenn DU dich verzehrst. ANDERE werden dein FEUER weiter tragen!
Nur wenn DU dich versagst, bleibst DU leblos!“
Da spitzte die KERZE ihren DOCHT und sprach voller ERWARTUNG:
„ICH bitte DICH, zünde mich an!”

 


 

 

Rheuma die Volkskrankheit Nr. 1 in der Schweiz

 

Vortragsreihe Offenes Fenster vom 04.11.2015

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Referentin Frau Claudia Hosang  dipl. Sozialarbeiterin BSc

Mit Rheuma (altgriechisch ῥεῦμα rheuma ‚Strömung‘, ‚Fluss‘) werden Beschwerden am Stütz- und Bewegungsapparat mit fließenden, reißenden und ziehenden Schmerzen bezeichnet, die oft mit funktioneller Einschränkung einhergehen. Die medizinisch korrekte Bezeichnung für Rheuma ist „Krankheiten des rheumatischen Formenkreises“.

Die traditionellen Begriffe Rheuma und Rheumatismus wurden erstmals im Liber de Rheumatismo et Pleuritide dorsali von Guillaume de Baillou (1538–1616) verwendet.
s.Wikipedia

Jeder fünfte Einwohner oder rund 1,5 Millionen Menschen in der Schweiz leiden unter rheumatischen Beschwerden. Fast jeder Mensch ist irgendwann in seinem Leben von Rheuma betroffen. Ungefähr 300 000 Menschen in der Schweiz leben mit schweren, chronischen Rheuma-Beschwerden , die mit Behinderung oder Pflegebedürftigkeit einhergehen können.
Rheuma ist keine Alterskrankheit.
Auch jüngere Menschen und Kinder sind von Rheuma betroffen. Zum Beispiel von den Folgen körperlicher Fehlbelastung, von Entzündungen (z.B. Tennisellenbogen) oder von juveniler Arthritis.
Rheuma schmerzt.
Fast alle rheumatischen Erkrankungen verursachen akute oder chronische Schmerzen. Der Schmerz betrifft den ganzen Menschen: Er beeinträchtigt oder behindert im Alltag, bei der Bewegung, im Beruf und auch in der Beziehung zu Mitmenschen.
200 verschiedene Erkrankungen gehören zu Rheuma. Darunter fallen auch:

  • Arthrose > Gelenkabnutzung
  • Arthritis > Gelenkentzündung
  • Weichteilrheuma > z.B. Fibromyalgie, Tennisarm
  • Rückenschmerzen > Hexenschuss
  • Osteoporose > Knochenschwund

Allen gemeinsam ist der Schmerz an Gelenken, Knochen, Muskeln, Sehnen und Bändern
Eine chronische Krankheit wie Rheuma macht Angst. Die betroffenen Menschen stehen vor vielen Fragen. Die Sorge im Alltag, am  Arbeitsplatz und in der Familie.

Prophylaxen
Körperliche Aktivität
Regelmässige Bewegung und eine korrekte Körperhaltung sind wichtige Faktoren bei der Prävention von Rheuma. Ein trainierter Körper nützt sich weniger schnell ab. Besonders günstig für die Gelenke sind gelenkschonende Ausdauersportarten wie Radfahren, Walken, Schwimmen oder Wassergymnastik.
Ausgewogene Ernährung
Eine ausgewogene Ernährung lohnt sich doppelt: Sie reduziert Übergewicht und damit die Abnützung der Gelenke – und hilft gleichzeitig, entzündliches Rheuma in Schach zu halten.
Optimierter Arbeitsplatz
Der Arbeitsplatz sollte dem Körper optimal angepasst sein (Sitzposition, Pulthöhe, Positionierung des Computers, usw.). Die Rheumaliga Schweiz  bietet dazu kostenlose Merkblätter mit wirksamen Übungen.
Regelmässige Bewegung ist in jedem Alter wichtig. Und besonders, wenn rheumatische Schmerzen da sind. Denn mit Schonung beginnt ein Teufelskreis: Schonhaltung > Muskelabbau > reduzierte Stabilität > mehr Schmerzen > noch mehr Schonung usw.

Wie kann Rheuma behandelt werden ?
Bei Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung ist der Gang zur Ärztin bzw. zum Arzt ein entscheidender Schritt. Denn der Verlauf der Krankheit lässt sich umso mehr beeinflussen, je früher mit der Behandlung begonnen wird.
Erste Ansprechperson ist meist der Hausarzt oder die Hausärztin. Zu weiteren Abklärungen oder für spezifische Behandlungen wird in der Regel an eine Fachärztin oder einen Facharzt für Rheumatologie überwiesen.
Wichtig ist eine möglichst frühe und genaue Diagnose, um die therapeutischen Massnahmen rasch und individuell auf den Patienten abstimmen zu können. Schmerzzustände wie z.B. Rückenschmerzen sollten zügig behandelt werden, um eine Chronifizierung zu vermeiden.

Im Anschluss zeigt Frau Hosang eine Auswahl an mitgebrachten nützlichen Hilfsmitteln.
Die Rheumaliga Schweiz bietet rund 200 Produkte an, die den Alltag bei Rheuma erleichtern. Die Produkte lassen sich im Webshop der Rheumaliga Schweiz sowie an verschiedenen Verkaufsstellen erwerben.
Sämtliche Hilfsmittel im Sortiment der Rheumaliga Schweiz sind von Fachleuten geprüft worden. Die Produkte erleichtern tägliche Verrichtungen oder machen sie überhaupt erst möglich. Sie schützen die Gelenke und sparen im Alltag Zeit und Energie.

 

 

 

 

Gut leben mit Demenz

Vortragsreihe Offenes Fenster vom 07. Oktober 2015

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Referent Herr Dr. med. Raimund Klesse, Psychotherapie und Psychiatrie

Präsident der Alzheimervereinigung Graubünden

Menschen mit Demenz haben den gleichen Anspruch auf ein gutes Leben wie gesunde Menschen.

Die ALZ bietet Unterstützung für Betroffene und Angehörige.

Professor Francois Höpflinger erwähnte in einem Vortrag, dass wir die erste Generation  Menschen sind, die  20 Jahre am Leben gewonnen haben. Dies aufgrund der Verbesserung der Lebensverhältnisse und der Medizin.
Es gibt zwar keine Heilung der Demenz, aber eine Verzögerung durch Medikamente ist möglich.
In Graubünden leben ca. 3000 Menschen, die an Alzheimer oder an einer anderen Form von Demenz erkrankt sind,  ½ der Betroffenen leben zu Hause. Frauen und Männer sind in etwa gleich betroffen.
Vergisst man einen Namen, ein Wort, verliert den Faden in einem Satz oder erinnert sich nicht mehr, was man gerade tun wollte, handelt es sich dabei nicht um Demenz, sondern um eine gutartige (Alters-)Vergesslichkeit.
Demenz ist eine Funktionsstörung, die meist als Folge einer chronisch langsam fortschreitenden Erkrankung des Gehirns auftritt. Sie äussert sich durch eine Störung von mehreren Hirnleistungsbereichen.

Diese Bereiche sind:
Gedächtnis:
Zuerst lässt das Kurzzeit-Gedächtnis nach und später, im fortgeschrittenen Stadium, das Langzeit-Gedächtnis. Deshalb sollte man die Betroffenen nicht über Neues fragen, z.B. was gab es heute zum Mittagessen, sondern ein Gespräch vom Vortag beginnen.
Orientierung:
Datum, Uhrzeit, Ort. Sie können sich nicht mehr zurecht finden, leben in einer anderen Zeit, an einem anderen Ort. Sie erkennen Personen nicht mehr, auch Familienangehörige. Dr. Klesse erwähnt dabei, dass dies nie persönlich aufzunehmen sei.
Sprache:
Ein dementer Mensch kann sich mit länger andauernder Krankheit oft nicht mehr klar ausdrücken.
Erkennen:
Erkennt die Sachen nicht mehr wie z.B. einen Hammer, Nägel, Besen und demzufolge wie umgehen damit etc.
Handeln:
Zum Beispiel den Startknopf der Waschmaschine nicht drücken und später die ungewaschene Wäsche wieder herausnehmen und aufhängen. Ebenfalls werden automatische Handlungen etc. vergessen.
Exekutivfunktionen
höhere Hirnfunktionen, Planen, abstraktes Denken, Urteilsfähigkeit.
Weitere Demenzformen:
Alzheimerkrankheit 
Gedächtnis- und Orientierungsstörungen, Wortfindungsstörungen.
Unser Verhalten ist hier wichtig.
Hilfe = Brückenbauen z.B. die Bewegung mit seiner Hand oder seinem Arm vollziehen und damit Schwierigkeiten beheben. Hilfe leisten wo der Betroffene an die Grenzen stösst – ohne Frust zu erzeugen –  So können Lebensqualität und Fähigkeiten erhalten bleiben.

Menschen mit Demenz möchten selbständig, aktiv, akzeptiert und integriert sein – genau wie Menschen ohne Demenz.

Vaskuläre Demenz
Verlangsamung im Denken und Handeln, Stimmungsschwankungen
Parkinson-Demenz
Bewegungsstörungen, kognitive Symptome erst im späteren Krankheitsverlauf
Reversible Demenzformen
Bestimmte körperliche und psychische Krankheiten können ähnliche Störungen hervorrufen wie eine Demenzkrankheit, jedoch ohne definitive Schädigung des Gehirns, sofern die auslösenden Faktoren rechtzeitig behoben oder behandelt werden. Wichtigste Ursachen von demenzähnlichen Symptomen sind Depressionen, Stoffwechselstörungen z.B. einer Schilddrüsenunterfunktion oder bei einem Vitamin-B12-Mangel, sowie Alkohol- und Medikamentenmissbrauch.
Prävention:
Eine Kombination von körperlicher und geistiger Aktivität bringt den grössten Nutzen. Jassen, musizieren, soziale Kontakte pflegen und zum Beispiel wandern. Da werden unsere Sinne andauernd angeregt, wir müssen uns auf den unebenen Pfad konzentrieren, wollen die Abzweigung nicht verpassen, sind im Gespräch mit der Begleitung. Sehr zu empfehlen ist auch das Tanzen: Aktivität des ganzen Körpers, Beachtung der Schrittfolgen, Orientierung am Rhythmus, Koordination mit dem Tanzpartner – beim Tanzen kommt alles zusammen, was das Gehirn fit hält. Andere Studien haben ergeben, dass die positive Auswirkung auf das Gehirn dann am stärksten ist, wenn die Tätigkeit Spass macht. Auch ein Glas Rotwein darf nicht fehlen.

Synaptische Plastizität
Das menschliche Gehirn bildet täglich neue Erinnerungen an Ereignisse aus dem Alltag, wobei aus einer Kette von Ereignissen episodische Erinnerungen an einen räumlichen und zeitlichen Ablauf entstehen. Diese Erinnerungen speichert das Gehirn im Hippocampus als Aktivierungsmuster von Nervenzellgruppen, wobei eine entscheidende Rolle dabei Synapsen spielen, die die Nervenzellen verbinden, denn sie können ihre Stärke anpassen und sich so verändern. Der langanhaltenden Veränderbarkeit von Synapsen liegen molekularen Mechanismen zu Grunde, da bei der Gedächtnisbildung Nervenzellgruppen eine andere Funktion und eine neue Struktur erhalten, wobei bei diesem Vorgang sich die Stärke der Synapsen ändert, was als langanhaltende synaptische Plastizität bezeichnet wird. Das Gehirn eines Erwachsenen ist daher kein starr verdrahtetes Organ, sondern bis ins hohe Alter veränderbar, denn neue Erfahrungen und Eindrücke verändern die Architektur des Gehirns, bauen Verbindungen zwischen den Nervenzellen aus und lassen neue entstehen. Bekanntlich funktioniert die Reizübertragung im Nervensystem über die Synapsen, an denen ein elektrischer Impuls der präsynaptischen Nervenzelle das Freisetzen bestimmter Botenstoffe veranlasst, wodurch diese  durch einen winzigen Spalt zur postsynaptischen Nervenzelle diffundieren und dort die Öffnung von Ionenkanälen bewirken, wodurch elektrischer Strom fließt und somit der Reiz weitergeleitet wird. Dabei hängt die Stärke der Reizübertragung vom Vorrat an Botenstoffen ab, von deren Freisetzungswahrscheinlichkeit und von der Amplitude des in der postsynaptischen Zelle ausgelösten elektrischen Signals. Diese synaptische Plastizität ist die Grundlage aller Umstrukturierungen im Gehirn, ohne die Gedächtnis und Lernen nicht möglich wären. Seit neueren Untersuchungen weiß man, dass sich dabei prä- und postsynaptische Veränderungen im Lauf der Zeit angleichen, dass also ein Vorrat an Botenstoffen auf der einen Seite langfristig auch mit einer größeren Andockstelle auf der anderen Seite und damit einem größeren Stromfluss einhergeht. Dabei passen sich prä- und post-synaptische Veränderungen selbst bei zehnfacher Vergrößerung oder Verkleinerung exakt aneinander an. Allerdings ist noch unklar, wie die beiden durch eine Synapse verbundenen Zellen miteinander kommunizieren, um sich miteinander abzustimmen, welche molekularen Signalwege hierfür nötig sind, und was die beobachteten Änderungen initiiert.

Quelle: http://lexikon.stangl.eu/9849/synaptische-plastizitaet/
© Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik

Wie ist es möglich, jeden Tag sinnvoll zu gestalten?

Vortragsreihe Offenes Fenster vom 06. Mail 2015

Referent: Max Feigenwinter, Sargans, ehem. Seminarleiter, Erwachsenenbildner und Autor zahlreicher Bücher. Heute freischaffender Rentner

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Geht denn das, jeden Tag als Geschenk anzunehmen? Sicher, nicht immer läuft alles glatt und mit dunklen Wolken am Himmel muss man auch leben.
Jede Begegnung kann  zu einem überraschenden Geschenk werden. Optimistische Impulse können viel Farbe in den Alltag bringen.
Sag Danke, lernen wir unsere Kinder sagen, wenn sie etwas bekommen. Danken wir für unsere Tage? Danken wir für den Frühling, welcher uns jeden Morgen in seiner Blütenpracht neu begrüsst, für eine Begegnung, für ein Gespräch, für die Enkelkinder?
Dankbarkeit ist sehr wichtig. Nicht aber am Muttertag oder Valentinstag auf (kommerziellen) Befehl  schenken und danke sagen.
Für jeden Tag dankbar sein, weil man nie weiss, wie viele Tage man noch hat.
Ist es für uns selbstverständlich geworden, dass wir gesund sind? Schätzt man noch was man hat? Eher hört man den Satz: früher als ich noch besser gehen konnte, als ich noch besser hörte, besser sah.
Es gibt  viel Schönes, aber  oft sieht  man es nicht . Was nützen Schönheiten, wenn man sie nicht sieht?
Hilfe annehmen können, das freut auch den Helfenden. Ein nettes Wort, positive Fortschritte sehen, wieder staunen lernen wie ein Kind. Sich am Abend selber auf die Schultern klopfen.
Max Feigenwinter erzählt uns die Geschichte eines älterer Mannes. Er wollte aus dem Alltagstrott heraus, wollte etwas Neues. Er fing an jeden Tag eine Handvoll Bohnen in die linke Hosentasche zu legen.  Für jedes schöne Erlebnis und für jede Freude die er einem Andern machen konnte, steckte er eine Bohne von der linken in die rechte Hosentasche und am Abend zählte er die Bohnen in der rechten Hosentasche.
Jeden Tag als Geschenk annehmen, heisst auch, sich selber  annehmen, sich selber sein. Du bist Du und niemand soll uns sagen, wie ich  sein sollte. Messe Dich nicht mit den Andern, an ihren Leistungen, denn  jeder Mensch ist ein Original und nicht eine Kopie.
Sage nicht  ja, wenn Du nein meinst

Keiner ist perfekt und das macht auch  Dich sympathisch.
 

Ich will,
dass du bist,
was du letztlich sein kannst.

Vergiss alles,
lege alles ab,
was du lernen musstest,
obwohl es dir nicht entsprach;
was du machen musstest,
obwohl es dir zuwider war;
was du glauben musstest,
obwohl du es nicht glauben konntest;
was du annehmen musstest,
obwohl es nicht passte;
was du ertragen musstest,
obwohl es deine Kräfte überstieg;
was aus dir einen andern machte
als du wirklich bist

Sei du selbst,
lebe dein Leben.

Gedanken zu  Mk 1, 40-45
Max Feigenwinter

Last und Entlastung

Vortragsreihe Offenes Fenster vom 01. April 2015

Referent Othmar Lässer
Stellenleiter BST Südbünden von Pro Senectute Graubünden
Redaktor Handbuch «Ältere Angehörige betreuen und pflegen»

Herr Othmar Lässer beginnt sein Referat mit den Worten:
«Wenn ich das nur früher einmal gehört hätte …»
(Frau M. am Vortrag von Bettina Ugolini, 27.11. 2014)

Frau M. pflegte ihren dement gewordenen Ehemann. Eine gut gemeinte Pflege, bis zum geht nicht mehr.
Sechs Jahren betreute sie ihn – von Jahr zu Jahr etwas mehr.
Schliesslich habe ich ihm ja Treue bis zuletzt versprochen…
Es ist meine moralische oder religiöse Pflicht….
Ist doch selbstverständlich.…..
Er hat mir so viel Gutes getan – jetzt bin ich an
der Reihe.
So verzichtete sie nun auch noch auf ihren Jassnachmittag mit
Freundinnen – ihr letzter Spass
Sie fing an, sich  zurückzuziehen, hatte ein schlechtes Gewissen.

Unsere Motive geben uns Kraft und Energie, unsere
Aufgabe zu erfüllen. Wir können sie als Kraftquelle
nutzen, wenn wir uns bewusst sind, WESHALB wir
einen Angehörigen betreuen.
Und weshalb NICHT ?

Wir können uns keine professionelle Betreuung und Pflege leisten
Umzug in ein Altersheim? Er hat mir das
Versprechen abgenommen, dass er nie in ein Altersheim muss.
Dann denken die anderen, ich sei eine schlechte Ehefrau
Vor allem aber weil man doch gern seinem Liebsten hilft …
… und einfach so in einen Vollzeitjob hineinrutscht,
für den man sich gar nie beworben
hat – ohne sich dessen bewusst zu werden.

«Pflege von Angehörigen kann nur gut gehen,
wenn es den Pflegenden selbst gut geht.”

Und was tut Ihnen GUT’?
Was BELASTET mich
Und was entlastet MICH?
Was brauchen SIE, dass IHRE Balance zwischen
Motivation und Belastung stimmt?

Fragen zulassen,
bewusst werden, will ich das wirklich?
WESHALB pflege ich eigentlich?
Welche Bestätigung brauche ich?
Wo bekomme ich Hilfe?
Sich informieren für Lösungen, die für MICH,
DICH und EUCH stimmen.
GEGEN Ansprüche, die ich nicht erfüllen will!
Miteinander sprechen und sich entscheiden.
Loslassen können für die richtigen Entlastungsmassnahmen
Für die nötige Selbstpflege!
Gut zu wissen,
dass es passende Beratungsstellen und Entlastungsangebote gibt und dass ich nicht ALLEIN bin mit meiner Überlastung.
Herr O.Laesser stellt das von ihm verfasste Handbuch für Graubünden vor.

„Ältere Angehörige betreuen und pflegen“

ein unfassender Ratgeber für pflegende und betreuende Angehörige von der Entscheidung bis zum letzten Abschied nehmen.
Das Handbuch kann unter www.gr.pro-senectute.ch  herunter geladen werden und gibt die Möglichkeit darin «offline» zu schmökern.

Hören ist Erleben

Vortragsreihe Offenes Fenster vom 04. März 2015

Referenten Marilen Maissen Audioagogin, Domat Ems
Pascal Kessler, Akustiker und Kinesiologe

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Hörbehinderungen kann man in vier Gruppen einteilen:
Gehörlose: Gehör vor dem Spracherwerb verloren, sprechen Schriftsprache, Gebärden ca. 9000 Pers.
Ertaubte: Gehör nach dem Spracherwerb verloren, empfinden den Verlust umso mehr, intensives Ablesen notwenig ca. 3000 Pers.
Cochlea – Implantierte: Ertaubte, die durch eine Operation Elektroden ins Ohr verpflanzt bekommen und nun über ein Mikrophon Geräusche, Stimmen, Laute auf einen Sprachprozessor vermittelt erhalten. ca. 600 Pers.
Schwerhörige: Menschen mit Hörproblemen, die medizinisch oder apparativ versorgt werden können. ca. 650 000 Pers
welche sich wie folgt unterscheiden
die angeborene Schwerhörigkeit (erblich, Früh- und Risikogeburten)
die erworbene Schwerhörigkeit (Lärm, gehörtoxische Medikamente, Unfall, Infektionen, Hörsturz)
Spätertaubung und die Altersschwerhörigkeit (im Laufe des älter werden), welche in diesem Vortrag das Hauptthema ist.
Erste Anzeichen beginnender Schwerhörigkeit

    • Das Ticken einer Uhr wird nicht mehr wahrgenommen.
    • Das Klingeln des Telefons oder der Hausglocke wird nicht mehr gehört.
    • Telefongespräche werden nicht mehr verstanden.
    • Radio und Fernseher werden zu laut eingestellt.
    • Vorträge, Kino und Theater bereiten Schwierigkeiten.
    • Man hat das Gefühl andere Leute sprechen undeutlich.
    • Unterhaltungen in grossen Gesellschaften bereiten Mühe.
    • Autos, Trams und Velos werden erst im letzten Augenblick bemerkt.
    • Das Singen der Vögel wird nicht mehr gehört.
    • Durchsagen über Lautsprecher werden nicht verstanden. (Flughafen, Bahnhof)
    • Andere machen einen darauf aufmerksam.

Es entstehen Kommunikationsprobleme

    • Missverständnisse
    • Missstimmung
    • Misstrauen
    • Missmut

Aufgaben des Ohre

  • Das Ohr vermittelt uns die Sprache.
  • Das Ohr ermöglicht uns eine Kommunikation.
  • Das Ohr lässt uns vernünftig handeln.
  • Das Ohr warnt uns vor Gefahren.
  • Das Ohr ermöglicht uns die emotionale, soziale Wahrnehmung.
  • Das Ohr gibt Sicherheit in der Orientierung

Anhand von diesen Aufzählungen erkennt man die Wichtigkeit von gutem Hören. Wird das Hören immer schwieriger, was zuerst dem undeutlichem Reden der Anderen zugeordnet wird, später weil der Lärm rundum zu laut ist und man deswegen kein Wort mehr versteht, geht man nicht mehr zum Stammtisch oder zum Cafékränzchen mit Freundinnen. Die Isolation beginnt. Der Weg zum Akustiker wird  lange, oft zu lange herausgeschoben. Einerseits will man sich die Schwerhörigkeit nicht eingestehen oder der Gedanke an die Kosten eines Hörgerätes halten den Betroffenen davon ab.
pro Audio Chur plus ist ein Verein, bestehend aus schwerhörigen und ertaubten Mensch, ihren Angehörigen sowie Fachleuten, welche sich in verschiedenen Bereichen einsetzen. Eine Kontaktaufnahme lohnt sich bestimmt
www.pro-audito.ch

Pascal Kessler, ergänzt das Referat von Marilen Maissen, dass bei altersbedingter Schwerhörigkeit, nicht vergessen werden darf:
dass für gutes „Hören“ und Sprachverstehen ist nicht das Ohr alleine zuständig.
Als erste Anlaufstelle nimmt es zwar den Schall auf und wandelt ihn in einen
elektrischen Impuls um, leitet diesen dann aber über den Hörnerv weiter an unser
Gehirn. Dort wird die Information verarbeitet und einem Ton, Geräusch oder der
Sprache zugeordnet. Ein komplizierter Ablauf, der dem Hirn Höchstleistung
abverlangt. Wenn in diesem Bereich Energieblockaden vorhanden sind,
beeinträchtigen sie das ganze Hörsystem. Viele Symptome, vom Betroffenen oft
als Nichtveränderbar akzeptiert, können auf eine solche Störung der zentralen
Hörfunktionen hinweisen.
Ein Hörsystem soll das Sprachverstehen optimieren, Naturgeräusche besser
hörbar machen und trotzdem immer angenehm zu tragen sein. Die Empfindung
von akustischen Signalen und die Akzeptanz zum Tragen eines Hörsystems sind
sehr individuell. Bei Hörgerätekunden ist die Haltung zur Hörhilfe entscheidend.
Die zentralen Hörfunktionen, innere Blockaden gegen das Tragen eines Hörsystems,
das Umfeld und gesellschaftliche Einflüsse können hier eine tragende Rolle
spielen. Hinzu kommt, dass das Hörerlebnis leider nicht mehr vergleichbar
ist mit dem aus jüngeren
www.kinesiologie8.ch

Kerngesund trotz chronischer Krankheit

Vortragsreihe Offenes Fenster vom 04.02.2015

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Referenten Margrit und Walter Gaberthüel, pensioniertes Pfarrehepaar, Naters

Walter Gaberthüel zeigt zu Beginn seines Referates symbolisch einen schrumpfligen Apfel, dessen Kerngehäuse aber noch kerngesund ist. Er betont, dass im Leben der gesunde „innere Kern“ eines Menschen das Wichtigste ist, nicht das äussere Aussehen.
Er beschreibt im ersten Teil seine Krankengeschichte. Geboren ist er mit einem kopfgrossen Kropf. Drei Monate nach der Geburt erkrankte er an Keuchhusten, mit neun Monaten an einer Lungenentzündung. Dies führte zu der chronischen, medizinisch nicht heilbaren Bronchiektasie. Verschiedenste Krankheiten und Operationen durchlebte er als Kind und Jugendlicher, die oft einen Spital- oder Sanatoriumsaufenthalt nötig machten. Aber auch als Erwachsener gab es immer wieder schwere und schwerste Krankheitszeiten bis zu einem Burnout mit Depressionen zwei Jahre vor der Pensionierung.
An seine letzten vier Schuljahre erinnert er sich nicht gerne. So wurde er z. B. vom Turnlehrer gemobbt indem dieser ihn zu Turnleistungen zwang, die er aufgrund seiner Krankheit nicht ausführen konnte. Mit dem Deutschlehrer hatte er dagegen keine Probleme, denn Walter Gaberthüel konnte u.a. gute, fantasievolle Aufsätze schreiben. Sein erstes starkes Selbstbewusstsein fand er in der Kadettenmusik; dort schlug er die Tschinellen und durfte in der Uniform an den Musikumzügen aktiv teilnehmen.
Bei der Berufsberatung hiess es, dass er zu schwach oder zu dumm sei für eine Lehre. Schlussendlich absolvierte er aber die Lehre als Drogist, die er mit Erfolg abschloss. Im Alter von 20 Jahren erlebte er die Berufung zum Pfarrer, obschon er sich diesen Beruf aufgrund seiner Krankheit kaum vorstellen konnte.
Margrit Gaberthüel, seine Frau, leidet ebenfalls an Bronchiektasie. Ihre Krankheit verlief allerdings etwas anders. Im Gegensatz zu Walter war und ist sie körperlich kräftiger gebaut.
In der ersten Gemeinde musste sie oft ihren Mann vertreten, denn der kleinste Luftzug konnte bei ihm Fieber und die Gefahr einer Lungenentzündung auslösen. So musste er immer wieder das Bett hüten. Das führte seine Frau Margrit oft an ihre eigenen Grenzen. Sie war manchmal richtig wütend auf ihn, obwohl sie wusste, dass ihr Mann sich nicht wehren konnte gegen das Kranksein. Im elften Ehejahr war sie während vielen Wochen selber ernsthaft krank. Sie fühlte sich elend und kraftlos. Da erst konnte sie ihren Mann richtig verstehen. Deshalb bat sie ihn für ihr Unverständnis um Vergebung.
In diesen Wochen der Krankheit bat sie auch Gott um Hilfe. Sie hoffte immer wieder, dass Gott ihre Krankheit heilen würde – aber nichts geschah. So fühlte sie sich immer schlechter, körperlich und seelisch, bis sie einen Durchbruch erlebte. Es wurde ihr klar, dass Gott sie bedingungslos liebt in jeder Situation ihres Lebens, auch wenn sie krank ist. Obwohl sie später immer wieder Rückschläge erlitt, fand sie die innere Ruhe: sie konnte Ja sagen zur äusseren Krankheit. Sie erlebte eine innere Heilung; „im Kern“ wurde sie gesund. Ihre Kraft und Energie liessen die positiven Seiten des Lebens wieder zu. Zur grossen Hilfe wurde ihr dabei das Danken. Danken für das Gute, das sie jeden Tag erlebt, für Medikamente und Therapien, für liebe Mitmenschen, für alles, was sie noch tun kann und vieles mehr. Bis heute nimmt das Danken einen wichtigen Platz in ihrem Alltag ein.
Seit Jahrzehnten braucht sie 2 – 3-mal täglich Therapie, aufgrund eines Dauerinfekts, welcher sonst zu einer Lungenentzündung führen würde.
Margrit und Walter Gaberthüel mussten sich im Laufe ihres Lebens und ihrer 45jährigen Ehe darauf einstellen, immer wieder ihren Alltag, die Ferien und auch den Wohnort ihrer unheilbaren Krankheit anzupassen. Ihre Ehe blieb kinderlos.
Beide haben gelernt, mit ihrer Krankheit umzugehen, sie anzunehmen, den Blick auf den „gesunden Kern“ und die positiven Seiten des Lebens zu lenken. Sie sind sehr dankbar zu wissen, dass sie von vielen Menschen im Gebet begleitet und von Gott getragen werden.
Walter Gaberthüel erwähnte im Schlusswort eine Beobachtung, welche er einmal im Südtirol gemacht hatte. Die Äste der Obstbäume werden im Winter mit kleinen Backsteinen behängt. Die Äste werden dadurch kräftig und sind so in der Lage, im Herbst viele Früchte zu tragen ohne abzubrechen. Walter Gaberthüel stellte die Frage: „Könnte es sein, dass Gott Ihnen aus Liebe den einen oder andern ‚Backstein‘ angehängt hat, damit reiche und gute Frucht aus Ihrem Leben wachsen kann?“

Margrit und Walter Gaberthüel leiden an COPD
Die Krankheit „Bronchiektasie“ wird heute zu den ‚Chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen’gezählt.  COPD (Englisch: chronic obstructive pulmonary disease) bezeichnet als Sammelbegriff eine Gruppe von Krankheiten der Lunge, die durch Husten, vermehrten Auswurf und Atemnot bei Belastung gekennzeichnet sind. Bei Walter Gaberthüel zeigt sich vor allem eine verminderte Lungenventilation. Beide müssen jeden Tag inhalieren mit Medikamenten, die die Bronchien erweitern. Gleichzeitig müssen sie auch Medikamente nehmen, sogenannte Mukolytikas, die den zähen Schleim lösen und so den Auswurf fördern.